Der Messingmann
Tiefensondierungskugel, deren Innenraum an seine Umweltbedürfnisse angepasst war und deren Sensoren direkt mit seinem Nervensystem verbunden waren. »Inwiefern?«, fragte Colver.
»Wirf mal einen Blick auf deinen Geoscan. Fehler drei vier zwo ist der schnellste Weg zu einem Vorkommen von Uranpechblende. Das Myzelium ist hinter dem Uran und dem Radium her.« »Dann kann es also planen, aus eigener Kraft denken - es ist intelligent.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete D’nissan. »Möglicherweise ist das auch nicht mehr als die biologisch programmierte Reaktion einer Baumwurzel. Obwohl ich immerhin einräume, dass dieses Myzelium eine größere Komplexität aufweist als du, Colver.«
Colver blinzelte Mika zu. »Er denkt, sein Gehirn wäre leistungsfähiger als meines, weil es bei geringerer Temperatur arbeitet. Ich denke, er trägt mir nach, dass ich ihn gebeten habe, auf meinen Kaffee zu pusten.«
»Ich habe das gehört, Colver«, sagte D’nissan.
Mika genoss diesen Schlagabtausch - er erinnerte sie an solche Erlebnisse in Gesellschaft von Gant und Thorn. Hier jedoch war sie von Menschen umgeben, deren Motive sie völlig begriff, weil es Leute ihres eigenen Schlages waren. Als sie nun verfolgte, wie eine Struktur einen Quarzkristall in mikroskopische Flocken zerlegte und in den Rest des Myzeliums überführte, sagte sie: »Es verwertet alles.«
»So scheint es«, sagte Susan James. »Anscheinend treten keinerlei Abfallprodukte auf. Das Myzelium saugt alle Stoffe auf, mit denen es in Kontakt kommt, und wächst weiter.« Sie hob das Gesicht aus dem Betrachter und blickte sich zu den Kollegen um. »Es braucht nur Energie und Stoffe, ein Tatbestand, der gewisse Fragen aufwirft.«
»Nämlich welche?«, fragte D’nissan sie aus seiner Kugel heraus.
James erläuterte: »Die Gesamtzahl der archäologischen Funde betreffs der Dschaina würden nicht ein einziges Fass füllen, und doch haben wir hier etwas mit dem Potenzial, jede ökologische Nische der Galaxis zu besetzen. Warum haben wir bislang so wenig davon gefunden? Warum werden wir nicht überrannt - und warum sind wir nicht schon vor fünf Millionenjahren überrannt worden, zu der Zeit, in die man die ältesten Dschainaartefakte datiert hat?«
»Vielleicht haben die Dschaina selbst - falls sie eine klar umrissene Lebensform waren - die eigene Technik abgeschaltet und vernichtet, und vielleicht kommen jetzt nur ein paar Bruchstücke ans Licht, die sie übersehen haben«, schlug D’nissan vor.
»Wild gewordene Technik?«, fragte sich Colver.
Mika fand es an der Zeit, selbst ins Gespräch einzugreifen. »Vielleicht funktioniert sie zyklisch, wie eine Seuche oder wie Pflanzen mit ihren charakteristischen Jahreszeiten. Sobald die Bedingungen passen, wächst sie und verbreitet sich, bis sie alle verfügbaren Ressourcen verbraucht hat, um dann wieder inaktiv zu werden.«
James war anderer Meinung: »Aber wie wir gerade sehen, ist einfach alles eine potenzielle Ressource für die Dschainatechnik, also müsste sie auch es verbrauchen.«
D’nissan brachte die Hypothese vor: »Womöglich ist sie älter als wir dachten. Vielleicht existierte nie eine eindeutige Lebensform irgendwo im Weltraum, auf die sie zurückgeht, und vielleicht sind diese Artefakte, die wir den Dschaina, den Athetern oder Csoriern zuschreiben, nur die Reste jener Technik, die ihre Zivilisationen vernichtet hat.«
Jetzt mischte sich Jerusalem ein: »Wir haben keine älteren Reste dieser Technik gefunden als die, die wir schon den Dschaina zugeschrieben haben. Die wahrscheinlichste Erklärung lautet also: Sie ist das Produkt einer eindeutigen Lebensform aus dem Weltraum, der wir diesen Namen gegeben haben. Die hier geäußerten Theorien passen zwar, aber, wie James fand, wird ein Grund dafür gebraucht, dass diese Technik >saisonabhängig< ist - warum sie also nicht wächst und sich ausbreitet, solange noch Energie in den Sternen existiert.«
»Es geht um die passenden Bedingungen, wie Mika sagte«, stellte Colver fest. Alle drehten sich zu ihm um. Er verzog das Gesicht und fuhr fort: »Womit wir gemeint sind.« Er zuckte die Achseln. »Es ist parasitär, und obgleich es Gestein fressen kann, bewegt sich Gestein nicht. Vielleicht hat Mika Recht: Es wird inaktiv, aber vielleicht nur dann, wenn es alle Wirte verbraucht hat, mit deren Hilfe es sich ausbreiten kann. Wenn es also eine Weltraumzivilisation ausgelöscht hat, schaltet es sich ab und wartet auf die nächste.«
Niemand wusste darauf
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