Der Metallschwarm
Preis das Recht in Aussicht stand, die eigenen Werke im gerade fertig gestellten Flüs- terpalast auszustellen. Scharlachrote Rosen blühten vor einem graziösen Chromstück aus reflektierenden Sinuswellen und scheibenförmigen Spiegeln. Licht von sich drehenden Möbiusstreifen glänzte Nahton in die Augen. Der Titel dieses Kunstwerks lautete ironischerweise »Veränderliche Wahrheit«.
Wenn er bei den Statuen, Hecken und Blumenbeeten weilte, war sich Nahton normalerweise immer der Präsenz von königlichen Wächtern bewusst, die ihn auf Schritt und Tritt beobachteten. Diesmal aber schien es keine Beobachter zu geben.
Er hörte Stimmen, drehte den Kopf und sah Sarein und Captain McCammon, die miteinander sprachen; ihre Stimmen waren laut, die Gesichter ernst. Der grüne Priester vermutete, dass sie zu ihm kommen wollten, aber sie sahen nicht einmal in seine Richtung. Sie traten hinter eine Hibiskushecke mit roten und orangefarbenen trompetenartigen Blüten, sprachen noch immer recht laut und schienen sich zu streiten, obwohl sie wissen mussten, dass sich Nahton in Hörweite befand. Er fühlte sich wie ein Lauscher in einem schlecht inszenierten Theaterstück.
»Ich stamme von Theroc, und der bevorstehende Angriff auf meine Heimat ist vollkommen illegal«, sagte Sarein. »Die Hanse darf der TVF nicht den Befehl zum Angriff geben. Wenn der Vorsitzende Wenzeslas auf einer solchen Aktion besteht, müssen wir König Peter und Königin Estarra warnen.«
»Aber wie?« McCammon klang so, als hätte er seinen Text eingeübt. »Der Vorsitzende hat bereits Schiffe zusammengezogen. Ich habe gehört, wie er Admiral Willis entsprechende Anweisungen erteilte. Die Angriffsflotte bricht innerhalb von fünf Tagen auf.« Nahton runzelte die Stirn, als er das hörte. Ein Angriff auf Theroc? Etwas so Dummes würde selbst dem Vorsitzenden nicht in den Sinn kommen. Aber als der grüne Priester genauer darüber nachdachte, begriff er, dass er sich etwas vormachte. Basil Wenzeslas schreckte bestimmt nicht davor zurück.
»Basil hat seine Entscheidung getroffen«, sagte Sarein. »Vielleicht können wir einen Händler bitten, irgendwie eine Nachricht zu übermitteln. Ein Kurier könnte direkt nach Theroc fliegen.«
»Das würde Tage dauern. Die Warnung käme zu spät.«
Nahton wahrte sein Schweigen auf der anderen Seite der Hecke. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, was Sarein und McCammon beabsichtigten. Sicher durften sie nicht mit ihm sprechen; vielleicht war dies ihre einzige Möglichkeit. Aber er konnte nur dann eine Nachricht schicken, wenn er den Schössling berührte. Er wusste bereits, dass sich der kleine Baum in Königin Estarras Gewächshaus befand. Hatte Captain McCammon diese Bemerkung mit Absicht fallen lassen?
Die ganze Sache wirkte so gekünstelt, dass sie fast unglaublich wurde. Voller Argwohn runzelte Nahton die Stirn. Der Vorsitzende war ein hinterhältiger Mann, der zu allen Tricks griff, wenn er seine Vorstellungen durchsetzen wollte. Konnte dies eine Falle sein? Wollten McCammon und Sarein ihn zu einer verzweifelten Aktion veranlassen? Aber zu welchem Zweck? Basil Wenzeslas verdiente kein Vertrauen, doch sein Verhalten war meist berechenbar. Dies hingegen schien keinen Sinn zu ergeben.
Nahton wusste, dass Captain McCammon dem König immer treu ergeben gewesen war. Über den grünen Priester hatte er Nachrichten weitergegeben und damit den Anweisungen des Vorsitzenden zuwider gehandelt. Und Sarein war die Schwester der Königin. Zwar hatte sie Theroc vor langer Zeit verlas sen, aber Nahton konnte sich nicht vorstellen, dass Sarein bereit war, ihre Heimat zu verraten, obwohl er in ihr immer eine verlässliche Verbündete von Basil Wenzeslas gesehen hatte.
Nahton spielte mit dem Gedanken, Sarein und McCammon zur Rede zu stellen und Antworten zu verlangen, beschloss dann aber, ihre Mitteilungen für bare Münze zu nehmen. Er traute es dem Vorsitzenden durchaus zu, einen Angriff auf Theroc zu befehlen. Er musste irgendwie den Schössling im Gewächshaus der Königin erreichen.
Spät an jenem Abend stand ein Wächter vor dem offenen Zugang von Nahtons Quartier. Der grüne Priester meditierte, dachte über seine Möglichkeiten nach - und wartete. Einen ausgebildeten, erfahrenen Wächter konnte er nicht überwältigen.
Der Kommunikator am Kragen des Wächters piepste und übermittelte neue Anweisungen. »Sind Sie sicher, Sir? Bestätigung.« Der Mann sah kurz zum grünen Priester und verließ seinen Posten ohne
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