Der Metzger bricht das Eis
zugeschnürt, während der Metzger die Schuhschachtel betrachtet: »159 Euro, das ist ja regulär ein recht stattlicher Preis. Fünfzig Prozent sind dann 79,50. Da kann man den Schuh schon nehmen, was meinen Sie?«
»Da haben Sie recht«, wird etwas schnippisch geantwortet, »den einen Schuh können’S dann nehmen!« Woraufhin sie den linken hochhält: »Wollen’S den auch noch probieren, der käme dann wie der rechte ebenso auf 79,50!«
»Stimmt!«, erwidert der Metzger schmunzelnd, »steht ja: ›bis zu fünfzig Prozent Rabatt‹ auf Ihrer Auslage, das beginnt natürlich bei Null!« Und wenn er sich nicht täuscht, wird ihm gerade der linke noch eine Spur strammer festgezurrt.
»Gehen Sie einmal ein paar Schritte!«, wird er aufgefordert und dabei zwecks Gripperfahrung über eine kleine Brücke geschickt. Es folgt eine Runde durchs Geschäft und die zumindest für das Portemonnaie schmerzhafte Einsicht, dass die Schuhe einfach perfekt sitzen.
Ein »Ich lass sie gleich an, den Karton aber bitte trotzdem einpacken!« zaubert der Verkäuferin ein Lächeln auf die Lippen. Als Inventarisierungswunder, als Hüter seiner Heiligtümer und seiner kleinen Geheimnisse wird sich die Schuhschachtel ehrenhaft zu all den anderen im Vorzimmer einreihen, zuvor aber rutscht sie gefüllt mit den alten Stiefeln in einen Papiersack, was bedeutet: Für die Dauer des Nachhauseweges ist der Metzger nun also ein kostenloser Werbeträger. Wobei kostenlos natürlich nicht stimmt, sondern in Anbetracht der Handelsspanne der von den Kunden durchgeführte mobile Gratiswerbeservice auch von den Kunden schön brav selbst bezahlt wird.
»Schuhhaus Thuswalder« steht in fetten Lettern auf das Papier gedruckt.
»Der macht sich wohl keine Sorgen mehr!«, stellt der Metzger fest.
»Wer?«
»Der Thuswalder.«
»Da haben Sie recht, der nicht.«
Kurz blickt die Verkäuferin hoch, greift in die Kasse und fügt mit Rückgabe des Wechselgeldes an: »Wenn, dann umgekehrt!«
»Meinen Sie mit umgekehrt: Andere machen sich Sorgen um den Thuswalder, oder: Der Thuswalder macht anderen Sorgen?«
»Stimmt beides!«, antwortet die Verkäuferin und wird lautstark unterbrochen. Der Metzger muss gehen. Dringend. Dröhnend wiederholt der Lautsprecher den Grund seines abrupten Aufbrechens: »Der kleine Willibald Adrian Metzger bitte zum Infopoint beim Haupteingang. Der kleine Willibald Adrian Metzger bitte zum Infopoint beim Haupteingang!«
»Schon komisch, was Eltern ihren Kindern für Namen geben!«, meint die Verkäuferin zum Abschied.
»Ja, komisch!«, erwidert der Metzger, und wäre ihm nicht sowieso schon heiß, würde er spätestens jetzt rot anlaufen. Laufen wird aber vermieden, muss ja wirklich nicht jeder gleich wissen, wie der verschollene kleine Willibald Adrian so aussieht.
Eine Person erfährt es doch: »Der?«, ist der Dame hinter der Glasscheibe des Infopoints das Erstaunen anzusehen.
»Muss ja klein nix unbedingt heißen kleine Bub, kann ja auch heißen kleine Lausbub. Na, hast du ein bisserl vergessen auf Haube und Begleitung, oder hast du mir schnell gekauft schöne Stiefel, hoffentlich Größe 40!«
»Bis 40«, antwortet der Metzger amüsiert und ergänzt, »Grad minus.«
»War wenigstens schön peinlich?«
Mittlerweile haben sich der Gipsarm in Willibalds Ellbogenbeuge, die Textileinkäufe der Danjela im großen Schuhhaus-Thuswalder-Papiersack und die neue schwarze Wollhaube auf dem Haupt des Beschenkten niedergelassen.
»Peinlich ist höchstens das jetzt«, kommentiert der Metzger den Vogeltanz, der in Maximallautstärke aus Danjelas Jackentasche erklingt. Das Telefonat dauert nicht lange. »Ich mach mir Sorgen, wo seid ihr?«, will die vom Skifahren zurückgekehrte Sophie Widhalm wissen und verkündet ihren gigantischen Appetit. Sofort, heißt es, werde sie im Ortszentrum eintreffen. Und weil Willibald Adrian Metzger keine Lust verspürt, herauszufinden, wie lange dieses »Sofort« noch dauern wird, fällt nach einem ausgedehnten Spaziergang durch die mittlerweile dank Lichterketten und Fackeln nur so in der anbrechenden Dunkelheit schimmernden Fußgängerzone die Entscheidung für den Ort der kulinarischen Einkehr auf den Kirchenwirt.
Bei Grießnockerl- und Paprikaschaumsuppe fehlt sie noch, die wohlgeformte Halbschwester, bei Zwiebelrostbraten und Bauern-Cordon-bleu ist sie dann aber mit Spinat-Gorgonzola-Nockerln und hautengem Strickpullover dermaßen dabei, da läuft auch ohne Blick in die Speisekarte den meisten der
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