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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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übersteht, wenn es sein muss, die miesesten Umstände, Eiszeiten, Völkerwanderungen, Weltkriege.
    Hat so lange prächtig funktioniert, dieses Konzept, bis ein paar besonders gescheite Köpfe die Wahnvorstellung kultiviert haben, man könne ja nicht nur sich an die Umwelt, sondern auch die Umwelt an sich anpassen, und zwar weit über den Karottenanbau hinaus.
    Was bedeutet: Nicht darauf warten, dass irgendwelche miesen Umstände vielleicht eines Tages ganz von selber daherkommen, sondern dafür sorgen, dass diese miesen Umstände eines Tages unter Garantie daherkommen, je rascher, desto besser.
    So gibt es also jede Menge vom Menschen ausgelöste Phänomene wie zum Beispiel die Klimaerwärmung, und anstatt den Ofen einfach zurückzudrehen, schaltet man die Klimaanlage ein, die pustet dann vorne kalte Luft heraus, ist doch wunderbar, hinten wird’s halt ein bisserl heiß, was soll’s, und Strom frisst sie auch. Gegen die Klimaerwärmung ist das eine ähnlich sinnvolle Therapie wie die Verordnung eines gediegenen Sonnenbades für Hautkrebspatienten.
    Wie gesagt, im Prinzip ist er kein Trottel, der Mensch, so eine Klimaanlage muss man erst einmal erfinden können.
    Und manche Erfindungen sind ja auch wirklich verdammt kniffelig, bis heute sogar schier unmöglich:
    Es regnen lassen zum Beispiel, in Gebieten geringen Niederschlags zur Beseitigung lebensbedrohlichen Wassermangels. Ein wirklich, wirklich, wirklich, richtig, richtig harter Brocken wäre so eine Regnen-lassen-Geschichte.
    Im Vergleich dazu ist manch anderes geradezu ein Kinderspiel: es schneien lassen zum Beispiel, in Gebieten geringen Niederschlags zur Beseitigung lebensbedrohlichen Touristenmangels.
    Wie gesagt, er ist eben kein Trottel, der Mensch, der weiß schon, wo was wirklich gebraucht wird.
    So schneit es also trotz wolkenlosem Himmel, wie der Metzger am nächsten Morgen nach dem Aufstehen aus dem Fenster schaut. Rücksichtsvoll leise, um die der frischen Gebirgsluft und der erhöhten Dosis Piña Colada zu verdankende Ruhe seiner noch fest in Daunen gehüllten Danjela nicht zu stören, schleicht er mit Edgar aus dem Zimmer und begibt sich ins Freie.
    Ein bisschen nach Daunen und Frau Holle sieht es auch nach Verlassen des Kalcherwirts aus. Wunderschön glitzern und tanzen die fein zerstäubten Wassertropfen im Licht der aufgehenden Sonne und landen schockgefrostet als hoch komprimierte Schneeflocken auf ihren Artgenossen. Er rieselt zwar nicht leise, der Schnee, denn in unmittelbarer Umgebung der Turbine einer Schneekanone lässt sich als kleines Urlaubssouvenir zusätzlich zur knackigen Gesichtsfarbe problemlos noch ein kleiner Tinnitus mit nach Hause nehmen, aber Hauptsache, er rieselt, darauf kommt es an. Auch was das Hinterteil Edgars betrifft. Lange dauert es nämlich nicht, und das Morgengeschäft ist erledigt. Hat ja auch ein empfindliches Gehör, so ein Hund, und rein akustisch gibt es momentan gewiss lauschigere Plätzchen. Dafür hapert es ein wenig mit der Sehschärfe, denn im Gegensatz zum Metzger würde Edgar rein optisch den in weiter Ferne gemächlich den Berg hinaufsteigenden Mann wohl nicht als den Hausherrn Sepp Kalcher identifizieren.
    Ein Weilchen spaziert der Metzger in einer für ihn lautstärketechnisch angenehmen Distanz durch die Winterlandschaft, gibt sich dann aber dem heftigen Zug der Leine hin und folgt Edgar zurück ins herrlich ruhige Hotel. Wie phantastisch er vom Fenster des Frühstücksraumes aus ist, der Ausblick, nicht nur auf das knusprige, mit herrlich süß-saurer Johannisbeermarmelade überzogene Buttersemmerl in der Hand des Metzgers, sondern auch auf die jungfräulich strahlenden und bestens präparierten Hänge, den Traum eines jeden Skifahrers.
    Genau das ist Toni Schuster an diesem Morgen wohl auch durch den Kopf gegangen, wie er mit Blick auf dieses Prachtwetter dem angebrochenen Tag ins Auge sehen durfte und ihm von der liebenswerten Reindl Traude mit den Worten: »Das is heut Morgen im Briefkasten gelegen!« sein Handy samt der Notiz »Gruß aus dem Edelweiß« überreicht wurde. Da war es dann gar nicht so einfach, bei genau dieser netten Reindl Traude vorzeitig auszuchecken, um am Abend beim Thuswalder einchecken zu können. Und weil er, was das Checken betrifft, grad so in Fahrt war, hat er sich für ein kleines Taschengeld, dagegen sind hier sogar die Liftkarten günstig, von einem Liftwart namens Reini noch lange vor Aktivierung der offiziellen motorbetriebenen Aufstiegshilfen auf den Berg

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