Der Metzger bricht das Eis
schließlich Absage eines Herrenabfahrtslaufes völlig ohne Rücksicht auf Einschaltquoten live übertragen wird, als wäre das Fernsehen die letzte Werbebastion eines aus Kostengründen längst nicht mehr als Breitensport zu bezeichnenden Vergnügens.
»Also, zum Skifahren sind Se nich hier, das steht fest.Was wollen Se also da oben?«
»Ich werd mir, sollte rechtzeitig mein Appetit zurückkehren, oben einen Topfenstrudel genehmigen, und dann geht’s runter zum Kalcherwirt!«
»Der Strudel is beim Kalcher aber deutlich besser. Die sind übrigens alle zu vergessen, die funkelnagelneuen Panoramarestaurants. Dafür is jetzt wenigstens das Skigebiet ne Wucht. Wie ne Plattenbausiedlung is hier alles aus dem Boden geschossen, 120 Pistenkilometer, 80 Prozent der Pisten beschneit, und als Draufgabe die Weltcupabfahrt! Die Pisteneröffnung wurde hier ja zelebriert wie ’n Staatsereignis, trotz massivem Wärmeeinbruch. Der lässt sich vom Wetter eben nich verschaukeln, der Wintersport.« Detlef Rüdiger nimmt seine Medizin an sich, schüttelt den Flachmann, was akustisch jetzt nicht mehr allzu vielversprechend ist, und erklärt:
»Jetzt is das also ne Skischaukel. Wissen Se, warum das so heißt? Weil wir Touristen hier jetzt so richtig schön verschaukelt werden, so teuer is alles geworden. Da kannste den Schnaps nur mehr selber mitnehmen. Prost!«
Auch die Gondel schaukelt es nun wieder kräftig durch, unerwartet, versteht sich, denn die beiden Herren reisen mit Blick gegen die Fahrtrichtung. Es folgt ein Gerumpel, hektisch dreht sich der Restaurator um und blickt bereits in den Schlund der Bergstation. Herr Rüdiger allerdings blickt zu Boden, denn derart durchgebeutelt kann einem so ein kleines Fläschchen schon aus der Hand fallen. Die Türen öffnen sich, es geht ans Aussteigen, und auch beim Metzger steigt der Puls, vor allem nach Verlassen der Gondel: »Herr Rüdiger, schnell!«
Von schnell kann keine Rede sein. Mit einer Seelenruhe sammelt Detlef Rüdiger seine Grundausrüstung zusammen, da schließen bereits die Türen, setzt sich wieder hin, hebt zum Gruß die Alpenkräutermischung und ruft: »Diese Runde geht an Hermine!«
Heilfroh ist der Metzger, endlich festen Boden unter den Füßen zu spüren, obwohl da alkoholbedingt natürlich schon ein kleiner Schwindel zu spüren ist. Ein paar metallene Stiegen geht es vom Gondelausstieg nun hinunter, eine milchige Glasschiebetür geht auf, und durch den Metzger geht ein Schub der Erkenntnis.
36
Von »schnell Mittagessen gehen!« kann nicht die Rede sein, denn Robert Fischlmeier hat Danjela Djurkovic in seinen Wagen gebeten, steuert aus dem Ort hinaus und eine Asphaltstraße hinauf. So oft bieten sich die Gelegenheiten zum Ausführen einer eroberungswürdigen und offensichtlich auch willigen Dame nicht an, was auch Danjela Djurkovic nach einer etwa zehnminütigen Autofahrt beim Eintreten in die Gaststube klar wird.
»Ja, Fischi, das freut mich aber!«, kommt die Wirtin überschwänglich auf Robert Fischlmeier zu, tätschelt ihm mit Blick auf die Damenbegleitung den Rücken, zieht dabei neckisch die Augenbrauen hoch und meint: »Übrigens, er ist schon da!«
Einen »Er« sieht Danjela Djurkovic hier zwar keinen, denn bis auf drei Tierfreundinnen, zwei davon im Alter zwischen drei und fünf, ist die Stube leer. Tierfreundinnen nicht deshalb, weil die feilgebotenen Speisen Vegetarierherzen höher schlagen lassen, sondern weil der Gast, um seine Würste, sein Gulasch oder seine Bretteljause zu verdrücken, vor Durchsicht der kleinen Karte für gewöhnlich einen Blick in diverse Gehege wirft. Und das zahlt sich wahrlich aus, denn hier im Wildpark herrschen der Frieden und die Stille einer fast unberührten Winterlandschaft. Abgelegener und idyllischer für ein erstes Rendezvous geht es nicht.
Natürlich ist Robert Fischlmeier nicht völlig auf den Kopf gefallen und weiß schon, warum diese Djurkovic mit ihm essen gehen will. Einen Versuch ist dieses Prachtweib aber allemal wert.
Und natürlich mangelt es ebenso Danjela Djurkovic nicht an der nötigen Intelligenz, um der Aussage der Wirtin: »Übrigens, er ist schon da!« zu entnehmen, dass Robert Fischlmeier nicht wegen ihr, sondern sie wegen Robert Fischlmeier hier ist. Er trifft also wen. Vorher aber wird gespeist, Hauswürste und ein alkoholfreies Bier.
»Alkoholfrei?«
»Muss ich kühlen Kopf bewahren, damit mir nix passiert Blödheit!«, stellt des Metzgers Herzdame gleich zu Beginn die Ausgangslage
Weitere Kostenlose Bücher