Der Metzger bricht das Eis
klar, und zwar mit einem derart aufreizenden Blick, dass im Hirn des Gegenübers der Gedanke: »Mit ein paar Schnapserln krieg ich die Dame eventuell rum!« kein ungedachter bleibt.
Ruckzuck landen zwei dampfende Paare Hauswürste auf dem Tisch, denen unverkennbar vor Frequentierung der Selchkammer eifrig Knoblauch in den Schweinedarm gestopft wurde. Eine ebenso würzige Angelegenheit wird die erste Runde Nachtisch. »Zwei Williams!«, ordert Robert Fischlmeier hoffnungsfroh. Höflichkeitshalber trinkt auch Danjela Djurkovic, geht aber nach einem neckischen »Prost« sofort in medias res.
»Also, was gibt hiesige Polizeichef für Rat: Soll ich wechseln Quartier. Ist wirklich so gefährlich, Sepp Kalcher?«
»Jetzt bin ich aber überrascht! Ich hab geglaubt, du willst mich bezirzen, damit deine Freunde wieder rauskommen?«, wird ebenso direkt erwidert.
»Später, mach ich dich vorher betrunken, dann geht leichter!«
Meine Güte, wie sie ihm gefällt, diese Mischung aus Hirn und Humor, Masse und Klasse, das wäre für den Fischlmeier Robert schon der reinste Jackpot. Bis über beide Ohren geht es jetzt, sein Schmunzeln: »Gehen wir ein Stück!«
Wie die Panoramakarte versprochen hat, eröffnet sich vor den Augen des Restaurators ein gigantisches Skigebiet. Mit allem anderen hat er allerdings nicht gerechnet, denn der Kessel hält völlig, was er namenstechnisch verspricht. Hier brodelt es, kocht es, und ja, der Topf scheint überzulaufen. Ein paar Menschen mehr, und aus dem bunten Häkelteppich auf weißer Piste wird ein lückenloser Gobelin. Was dem Metzger sofort ins Auge sticht, ist die Tatsache, dass zwar die Abfahrten aus ihren Nähten platzen, die Menschentrauben vor den Liften aber äußerst überschaubar bleiben. So funktioniert das also: Der Wintersportler kommt in den Skiort, registriert zwar den vollen Parkplatz, sieht zugleich die nicht vorhandene Warteschlange vor der Gondel, denkt sich euphorisch: »Ist nix los, gehört alles mir«, fährt mit der Gondel hinauf, sieht die Massen auf der Piste, sieht zugleich die vernachlässigbare kleine Menschentraube beim Sechser-Bubble-Sessellift mit geheizten Sitzflächen, hegt hoffnungsfroh erneut die Sehnsucht: »Den nehm ich, ist ja nix los«, steigt ein, senkt die Plexiglasschutzhaube, wärmt sich den Hintern und steigt nach lauschiger Fahrt oben wieder aus – gleichzeitig mit den fünf anderen neben sich, hinter den sechs anderen vor sich und vor den sechs anderen hinter sich. Jede Menge Hintern also, 18 innerhalb weniger Sekunden, 46 pro Minute, 2760 pro sechzig Minuten, zwei solche Sessellifte führen von verschiedenen Seiten des Berges auf dieselbe Spitze, sind maximal 5520 Sportler pro Stunde. Früher ist man vorher angestanden, um dann auf verhältnismäßig freien Pisten hinunterzusausen, heute saust man zuerst hinauf und steht dann an. Verständlich, dass da zu Urlaubs- und Wochenendzeiten so mancher ein paar Schnapserln braucht, um sich überhaupt erst auf die Piste zu wagen. Dicht gedrängt wird beinah in Falllinie der Hang bewältigt, wer sich zwecks Ausnutzens jener wunderbaren Radien, die so ein Carvingski verspricht, in die Kurve legt, liegt in kürzester Zeit kollisionsbedingt im Ackja, Rettungshubschrauber oder Leichenschauhaus. Deshalb Helme, Rückenprotektoren und Versicherungsschutz. Wie gesagt: Er ist eben kein Trottel, der Mensch. Aufrüstung der Ausrüstung als Reaktion auf die technische Weiterentwicklung, sprich, die wissentlich hervorgerufene Lebensbedrohung, das ist die Lösung. Die Weiterentwicklung der eigenen Technik ist es jedenfalls nicht. In Anbetracht der von einer beängstigenden Mehrheit der Wintersportler auf die Piste gezauberten Kunst braucht er kein Hellseher zu sein, der Willibald, um vorauszusagen: Nicht jeder der Urlauber wird aufrecht stehend in sein Quartier zurückkehren – das gilt übrigens auch für ihn selbst.
Gar nicht mehr heraus aus dem Schauen kommt er, und so entgeht ihm das in weiter Ferne auf ihn gerichtete Augenpaar, dessen dazugehöriger Restkörper mit einem Schwall an Gefolge gerade erheblich die Geschwindigkeit drosselt. Zu fesselnd sind die fragwürdigen Aussichten: Das also ist sie, die Wochenenderholung in den Bergen, die Freiheit auf Skiern, das Bändigen der Fliehkräfte. Er jedenfalls bändigt die seinen nicht: »Nichts wie weg!«, gehorcht er seinem Kopf. Und weil ihm schon seit geraumer Zeit nichts Festes durch den Magen geht, landet er wenig später als einziger Spaziergänger mit
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