Der Metzger bricht das Eis
Schindlgruben-Bergstation, ein Brandanschlag in der neuen Citypassage, ein Brandanschlag oben in der neuen Reithalle von seinem Sport- und Wellnessresort. Immer mehr hat der Horst dafür den Kopf hinhalten müssen, vor allem weil der Axpichl Erich den Horst irgendwo beim Zündeln gsehen haben will. Die Hölle war da los bei uns!«
Jetzt schweigt er für ein Weilchen, der Fischlmeier, was die mittlerweile hörbar um Sauerstoff ringende Danjela eine längst notwendige Frage einstreuen lässt: »Gibt eigentlich Ziel von kleine Wanderung – am besten Hütte mit Erste-Hilfe-Station?«
»Wir sind gleich oben, ein paar Meter noch.« Robert Fischlmeier winkt, ein älterer Herr winkt zurück, und die Djurkovic begreift: Die paar Meter sind Höhenmeter. Von »gleich« kann also keine Rede sein, von Rede allerdings schon, denn Robert Fischlmeier verneint zuerst die so nebenbei gestellte Frage, ob er einen gewissen Herrn Karl Schrothe kenne, und widmet sich fremdenverkehrstechnischen Ausführungen über das umliegende Gebiet, über die fast kaiserliche Tradition des Wildparks, über die wenigen zahlungskräftigen privaten Wohltäter wie eben beispielsweise den Thuswalder, über den ständigen Kampf ums Überleben, weil das Land vor lauter Wintersport natürlich für einen ganzjährig geöffneten Wildpark an Förderungen nicht viel über hat. Robert Fischlmeier erzählt, erzählt und erzählt, über die Berge, das einsame Leben bei seiner Mama, das Dasein an sich, und ja, ein wenig mischt sich bei Danjela Djurkovic jetzt zur gehörigen Portion Sympathie eine Prise Mitleid. Irgendwie mag sie ihn, den Fischlmeier, und spürt Ähnliches in deutlich verstärkter Form auch umgekehrt, was ihr als glücklich Liierte sofort vor Augen führt: Herzen brechen will sie keine. Sie muss also die Reißleine ziehen.
37
Nachdenklich blickt Willibald Adrian Metzger durch das große Panoramafenster auf die Piste hinaus, ein paar Topfenstrudelreste mit Vanillesoße vor sich auf dem Tisch, zwei Topfenstrudel in Gedanken. Den ersten in Erinnerung an Herrn Rüdiger in der Gondel: »Der Strudel is beim Kalcher aber deutlich besser.« Und den zweiten in Erinnerung an den Hundekot einsammelnden Obdachlosen Karl Schrothe: »Und patsch. Patsch macht es, wie ein Stück Topfenstrudel hinein in die Vanillesoße, patsch. Geht es dir gut, Mutter, Kaiserin des Topfenstrudels, patsch, geht es dir gut!«
Das sind dann doch ein bisschen zu viel Süßspeisen für seinen Geschmack, vielleicht auch, weil er verbissen nach Zusammenhängen sucht: »Was stimmt nicht mit dir, Karl Schrothe? Hast du Verwandte in der Großküche des Kalcherwirts?«, flüstert er in sich hinein.
Ein wenig bleibt er noch sitzen, beobachtet die wie auf Eiern roboterartig durch die Speisehalle wandelnden Skischuhträger, sinniert darüber, wie unterbelichtet ein Architekt wohl sein muss, um ein Skirestaurant mit spiegelglatten Fliesen auslegen zu lassen, und begibt sich hinaus zu den Massen.
Dort erweisen sich die stellenweise braunen Flecken der Talabfahrt als Geschenk des Himmels, denn kaum einer der Skifahrer ruiniert sich um diese Zeit freiwillig seine Kanten. Der Umsetzung seines Vorhabens steht also nichts im Wege. Wie erhofft ist der Abstieg entlang des Pistenrandes und der dort wie Straßenlaternen in regelmäßigen Abständen herausragenden Schneelanzen bei Weitem kräfteschonender zu bewältigen als ein Fußmarsch die Asphaltstraße hinauf, und ja, Ada hat recht gehabt: Je steiler das Gelände, desto leichter das Marschieren im weichen Schnee. Fast ein wenig ins Rutschen kommt er mit seinen südpolresistenten Wanderschuhen, der Willibald, und ja, er mag es sich gar nicht eingestehen, dieses Rutschen macht Spaß. Konzentriert spielt er mit seiner Balance, belastet abwechselnd das linke, dann das rechte Bein, fast so, als würde er in die Pedale treten, fühlt es sich an. So geht es also dahin, klarerweise immer wieder von kurzen Pausen durchzogen. Zu diesem Zweck hält sich Willibald Adrian Metzger aus Gleichgewichtsgründen an den etwa zwölf Meter langen, mit einer leicht zur Piste geneigten Schräglage aufgestellten Aluminiumrohren fest und genießt die Aussicht.
»Die Schneelanzen stehen von alleine!«, ist der erste Alleinunterhaltungsbeitrag eines vorbeifahrenden Skifahrers.
»Ist dir die Dusch ausgfallen? Da kommt aber kein Warmwasser raus!«, ein weiterer.
»Geht’s dir nicht gut?«, ist schließlich die erste ernst gemeinte Wortmeldung. Ein Mann der Bergrettung, im
Weitere Kostenlose Bücher