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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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600 Millionen Kilowattstunden, sprich der jährliche Stromverbrauch von 130 000 Vierpersonenhaushalten.
    Drittens: Die Fläche der beschneibaren Pisten in den Alpen war 2004 mit rund 24 000 Hektar anderthalb Mal so groß wie das Fürstentum Liechtenstein, also fast ein Viertel der gesamten Pistenfläche der Alpen.
    Was das alles neben der Pistenpräparierung und dem ganzen Skibetrieb für die Umwelt bedeutet und wie die Zahlen heute aussehen, will ich gar nicht wissen – so, und jetzt starten wir wieder, sonst vergeht mir noch der Spaß!«
    Deutlich ist dem Bergretter Hannes nun der Unmut anzumerken, denn entsprechend flotter geht sie weiter, die Fahrt. Wobei der Metzger bis zum Gasthof Kalcherwirt von der zügig an ihm vorbeiziehenden Umgebung gar nichts mehr mitbekommt, sondern einzig seinen Gedanken nachhängt.
    Wieder ein Faden mehr, der hier an diesem Ort all die seltsamen Ereignisse zusammenlaufen lässt. Wenn er nämlich eines nicht glauben kann, der Metzger, dann, dass Laurenz Thuswalder zufällig vor Maria Kaufmanns Unglücksort geparkt hat.
    Froh ist er dann wenig später, vor den Toren des Kalcherwirts dem Gefährt entsteigen zu können, nicht aufgrund seiner Unversehrtheit, sondern der nicht zu verachtenden Schwitzkur im Inneren des Ackjas:
    »Uiuiui, so einen Wärmeeinbruch wollen wir ja gar nicht in unserm Skigebiet!«, betrachtet Bergretter Hannes zum Abschied voll Ironie die Schweißperlen auf Willibalds Stirn. Und da kann er jetzt in Erinnerung an Herrn Rüdiger und die Erzählung vom Schindlgruben-Debüt natürlich nicht widerstehen, der Metzger.
    »Und was passiert, wenn so ein Wärmeeinbruch eine Schindlgruben-Debütabfahrt beinah ins Wasser fallen lässt? Womit fährt man da: mit Wasserskiern?«
    »Mit Chemie!«
    Und jetzt ist er wieder in seinem Element, der Bergretter Hannes: »Da fliegst tagelang mit dem Hubschrauber hin und her, bringst Kunstschnee, und dann tränkst du die Pisten mit zwei Tonnen Ammoniumnitrat, aus dem machst sonst Düngemittel oder gewerblichen Sprengstoff. Zwei Tonnen, das musst du dir vorstellen, das is anderswo die zugelassene Jahresmenge an Dünger für eine landwirtschaftliche Fläche von sicher 20 Hektar! Nur wennst mit Ammoniumnitrat die Pisten präparierst, dann ist das keine Düngung im Sinne des Düngemittelgesetzes, also kratzt des keinen – außer die Natur. Außerdem sieht man’s ja nicht. Sickert ja alles in den Boden und ins Grundwasser.«
    »Das klingt ja schaurig! Und was bewirkt so eine Pistenpräparierung?«
    »Das is ein chemischer Schneehärter. Der holt aus dem Schnee die Feuchtigkeit und setzt so den Gefrierpunkt hinauf. Wie zum Beispiel auch Harnstoff oder Natriumchlorid, besser bekannt als Kochsalz. Des kennst ja sicher. Wenn du zum Beispiel umkippst, gibt’s Kochsalz hochverdünnt als Infusion, und wenn dir das so wie der Piste und dem Boden darunter unverdünnt verpasst wird, dann bist tot!«
    »Und solch Spezialbehandlungen sind legal?«, erwidert der Metzger erstaunt.
    »Dazu kann ich nur sagen: Ohne den Wintersport könnten jede Menge Dörfer hier zusperren, da schauts dann schlecht aus mit der Wirtschaft in dem Land! Des Gebiet rund ums Bürgljoch zum Beispiel, des haben im Jahr 2000 alle Parteien einstimmig zum Naturschutzgebiet erklärt, 2001 wurde es feierlich eröffnet, 2005 hat die Landesregierung diesen Beschluss dann wieder aufgehoben, da wars dann plötzlich kein Naturschutzgebiet mehr, und 2009 hat dann die Bürgljoch-Skischaukel ihren Betrieb aufgenommen. Muss ich no mehr erzählen? I bin zwar Bergretter, aber ganz ehrlich: Der Berg is nimmer zum Retten. Wie lang bleibst noch?«
    »Bis morgen!«, antwortet der Metzger irritiert, sind ja auch nicht gerade erfreuliche Eckdaten, die sich gerade zu der wirklich beeindruckenden Bergidylle gesellt haben. »Danke fürs Mitnehmen!«
    »Machst das halt guat!«, ist der Abschiedsgruß, und ganz so einfach wird das für den Willibald nicht werden.

39
    Es ist aufgrund der kriminellen Überfüllung natürlich keine Zelle, in der Sophie Widhalm nun die Zeit ihrer Ausnüchterung abzusitzen hat, sondern ein schlichtes ebenerdiges Zimmer mit französischem Fenster und einem für derartige Verglasungen üblichen Gitter. Problemlos lässt sich das Fenster öffnen, was sie nach einiger Zeit der abgestandenen Luft und der hereinstrahlenden Sonne wegen auch tut. Eine Gefangennahme sieht anders aus, wird ihr erleichtert klar.
    Wem danach ist, der kann hier also nach Belieben ein- und aussteigen,

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