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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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das, der Willibald, als wolle jemand mit voller Absicht nicht mit ihm sprechen, marschiert zurück in die Werkstatt und wählt zwecks Portemonnaie-Rückgabe die einzig sich ihm noch bietende Möglichkeit.
    Ohne Rücksicht auf die Zartheit der hauchdünnen Telefonbuchseiten arbeitet sich der Restaurator mit angespeicheltem Zeigefinger lautstark und zügig durch das Kleingedruckte bis zur gewünschten Position vor, vorgebeugt versteht sich, denn wer kurzsichtig, zittrig und mit trockener Mundhöhle ausgestattet ist, kann so ein Telefonbuch sowieso nur mehr zum Einheizen verwenden: »B – B – Be – Be – Ber – Berger: Hier haben wir es«, hallt es durch den Gewölbekeller: »H – H – Ha – Ha – Han – Hanil – Hannah – Hannelore. Hannelore Berger« – die Wasabimama.
    Drei davon gibt es, zumindest namentlich. Beim zweiten Versuch erwischt er auch kulinarisch die Richtige:
    »Hier Metzger, Willibald Adrian Metzger. Verzeihen Sie die Störung, aber waren Sie vorhin zufällig auf dem Spielplatz, mit Ihrem Sohn Jakob? Bin ich da richtig?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Ich bin der Herr mit dem Kinderwagen und war ebenfalls Zeuge dieser schrecklichen Geschichte …«
    »Ja, wirklich schrecklich. Mir ist immer noch ganz übel. So entsetzlich, da wär die kleine Anna doch glatt an meinen Nüssen erstickt, ich hab so ein schlechtes Gewissen!«
    Und dann befreit es sich schwallartig, das Rede- und Rechtfertigungsbedürfnis der Hannelore Berger. So erfährt der Metzger aus erster Hand, dass Frau Berger Wasabinüsse rein aus Gründen der Gewichtsreduktion als Snack konsumiert, das heizt sozusagen dem Körper ein, fördert die Verdauung, unerwünschte Bakterien lernen das Fürchten und, und, und. Des Weiteren erfährt der Metzger, dass der brave Jakob im Gegensatz zur kleinen Anna ja niemals ohne sie zu fragen irgendetwas essen würde, und schließlich erreicht ihn auch die eigentlich wichtige Information:
    »Morgen darf Anna wieder heim. Die Maria hat mich gerade angerufen! Ich fahr sie jetzt noch besuchen, das gehört sich einfach!«
    »Wirklich, das trifft sich gut, ich hab am Spielplatz Annas Geldbörse gefunden. Kann ich Ihnen die vorbeibringen?«
    Zögern auf der Gegenseite.
    »Vorbeikommen wollen Sie? Wäre es nicht geschickter, Sie geben das gleich im Spital ab? Die Maria ist ja eh die ganze Zeit dort. Station D, Dr. Norden.«
    Und recht hat sie, die Frau Berger.
    Wenig später sitzt er mit der um einen Gegenstand angereicherten kindlichen Geldbörse im nächstbesten Taxi, denn was erledigt ist, ist erledigt. Diese Haltung dürfte dem Taxifahrer fremd sein. Für die ihm gebotene gemütliche Stadtbesichtigungsrunde fehlen dem Metzger allerdings schnell die Nerven: »Ich wohn hier und kenn die Gegend, Sie können also ruhig schneller fahren!«
    Nachdem die Bemerkung keinerlei Wirkung zeigt, setzt Willibald Adrian Metzger nun schon deutlich bestimmter hinterher: »Entweder Ihr Tacho ist kaputt, oder Sie fahren tatsächlich nur dreißig – und verwechseln mich mit einer Milchkuh!«
    Nun wird reagiert. Suchend blickt der Fahrer zum Fenster hinaus: »Melken. Wo Milchkuh?«
    »Ja, melken!«
    »Gut Milch, trinken Frühstück, gut Milch, gut Butter!«
    Gut, das ist sinnlos, sieht der Metzger nun ein, schämt sich ein wenig und meint: »Ja, gut. Milch ist gut.«
    Es dauert also, bis das Taxi vor dem Spital in zweiter Spur, leicht versetzt direkt vor einem eingeparkten silbernen Familyvan, zu stehen kommt. Willibald Adrian Metzger steigt aus, ein hinter dem Steuer sitzender junger Mann mit zu einem Zopf gebundenen Dreadlocks lächelt freundlich durch die Windschutzscheibe, und wie er dann nach Übergabe der acht Euro Fahrtkosten samt den zwei Euro Trinkgeld auch noch in das überglückliche Gesicht seines Lenkers sieht, erfüllt ihn direkt ein wenig die Scham über seine vorangegangene Unhöflichkeit.
    So steht er also gerührt vor den Toren des Kinderspitals, der Willibald, kündigt seiner Danjela fernmündlich eine berufsbedingte Verspätung an, und genau das hat er nun mit der Stimme in seinem Rücken gemeinsam. Auch der Taxler telefoniert.
    »Sicher, Kurti, kein Problem, dann eben erst morgen Nachmittag! Ist mir eh lieber als in der Früh, bei mir wird’s spät heute. Nachtschicht, weißt eh! Dumpfbacken und Besoffene kutschieren. Super, oder?« Dann steigt er aufs Gaspedal, winkt dem Metzger zu und ruft:
    »Ja, gut! Ist gut Milch.«
    Völlig vor den Kopf gestoßen rührt sich der Metzger ein Weilchen

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