Der Metzger geht fremd
ein Ganzkörperpeeling mit einer Algenentschlackungspackung und ein Friseurtermin bei unserem Stylisten Gery! Und abends sind Sie Gast im Ä-la-carte-Restaurant.«
Damit hat die Djurkovic jetzt nicht gerechnet. Mit so einer Extrabehandlung lässt sich's leben: »Klingt nach volle Terminkalender und ein wenig Entspannungsmarathon. Muss ich meine Mann sagen, dass ich bin bis Abend in waagrechte Sportveranstaltung!«
Ganz sicher ist sich der Metzger an diesem Sonntagmorgen nicht, ob er der Schilderung seiner Danjela nicht eigentlich mit Skepsis begegnen und sie zur Vorsicht mahnen müsste. Höflichkeitshalber zwingt er sich dann zur Mitfreude, hofft das Beste, fühlt sich ein wenig ratlos, die eigene Tagesgestaltung betreffend, und kann natürlich noch nicht wissen, dass ihm die plötzliche freie Zeit im geschäftlichen Sinn noch sehr gelegen kommen wird.
Wider jede Vernunft führt ihn sein Magen an diesem Morgen erneut in den Frühstücksraum. Und dort erlebt er sein blaues Wunder. Das liegt aber keineswegs am Restalkohol des überraschenderweise bereits anwesenden Herrn Friedmann, sondern an der Bedienung und den damit verbundenen administrativen Tätigkeiten.
Herr Hackenberger, in blauen Jeans, blau-weiß kariertem Hemd und blauen Filzschlapfen, kümmert sich heute um das Wohl der Gäste. Wohlgemerkt: um das Wohl. Denn außer, dass er entschuldigend erklärt, seine Frau sei beim Sonntagspfarrkaffee, und höflich fragt, was er bringen könne, sagt er nichts. Die Ruhe im Frühstücksraum könnte also wohltuender nicht sein, wäre da nicht die gestrige Abendgestaltung der beiden anwesenden Herren.
Ein freundliches »Guten Morgen« wird ausgetauscht. Dann rührt Herr Friedmann etwas betreten in seinem Kaffee herum, bis er zeitgleich mit der Metzger-Frage »Gut geschlafen?« ein »War's sehr schlimm?« hervorbringt.
»Was?«
»Mein Benehmen?«
»Wieso?«
»Ich trinke nie und hab mich, denk ich, nicht unter Kontrolle gehabt.«
»Kontrolle? Kontrolle, Herr Friedmann, ist nicht immer nur etwas Gutes. Vielleicht hat Ihnen das ja mal ganz gutgetan!«
Herr Hackenberger kommt herein, in seiner Hand zwei Meldeformulare: »Herr Friedmann, Sie reisen ja heute ab, sind Sie bitte so freundlich und füllen Sie mir das aus! Und Sie, Herr Metzger, Sie fahren morgen. Bitte auch gleich um Ihre Daten, dann ist das erledigt.« Zwei Kugelschreiber werden übergeben. Dann widmet sich links der Friedmann den leeren Zeilen und rechts der Metzger schreibtechnisch seinem und blicktechnisch dem Blatt des Nachbarn. Eine kleine Rechnung hat er mit ihm ja noch offen, obwohl er sich da schon seinen eigenen Reim gemacht hat, der Willibald. Selbst verfasste Dichtkunst kann allerdings ziemlich unerfreulich werden, was bei diversen Hochzeits- und Geburtstagsansprachen schon mehrfach bewiesen wurde.
Zur Freude der schon schwächer gewordenen Augen des Metzgers zieht Herr Friedmann nach eingehendem Studium des Formulars seine Buchstaben in großer Blockschrift – Nachname: » Friedmann«. Sehr langsam schreibt er, als hätte ihm heute zum ersten Mal jemand den Linienspiegel entwendet. Es folgt der nächste konzentrierte Arbeitsschritt, der Vorname.
Der Metzger ist längst fertig, schaut nach links und räuspert sich, als wollte er seinen Sitznachbarn während der Schularbeit auf einen Fehler aufmerksam machen.
Ist der Sitznachbar allerdings von der Richtigkeit der eigenen Angaben überzeugt, kann sich räuspern, wer will.
Dann ist er fertig, der Friedmann, und im Metzger-Hirn geht es rund.
Beim Vornamen steht: » Sascha«.
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»W OLLEN S IE IHN JETZT oder nicht?«
»Wen?«
»Den Tisch und die Sessel!«
»Ich müsste mir den Tisch vorher einmal ansehen!«
Sascha Friedmann ist aufgestanden, nimmt beide Meldezettel, bringt sie zu Herrn Hackenberger in die Küche und unterbreitet dem Metzger danach folgenden Vorschlag: »Kommen Sie doch mit, ist nur eine Dreiviertelstunde Fahrtzeit, dann können Sie sich gleich alles ansehen. Am Vormittag wird auch keiner zu Hause sein.«
Der Metzger, durch die überraschende namenstechnische Wendung noch ziemlich verwirrt, weiß nicht recht, wie er reagieren soll.
Zeit wäre heute ja reichlich vorhanden, nach dem gestrigen Abend ist ihm dieser Friedmann, nun Sascha, auf sonderbare Weise nähergekommen, in all seiner Zerbrechlichkeit. Und gleichzeitig sind da Fragen aufgetaucht, die den Metzger ziemlich beschäftigen: zwei Eheringe, die sich offenbar auf dieselbe Person beziehen, aber unterschiedlich
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