Der Metzger geht fremd
schon erklären, liebe Frau Djurkovic, warum Sie unser Paradies hier frühzeitig verlassen wollten.«
»Woher wissen Sie?«
»Von Professor Berthold. Er hat gemeint, sie wollten weg, und ich soll dafür sorgen, dass Sie heute ganz besonders verwöhnt werden.«
Nach einigen stillen Massageminuten wiederholt er charmant seine Frage: »Also, warum wollten Sie weg? Ich bin neugierig!«
»Na ja, ist ziemlich schlechte Überlebendendurchschnitt in Kuranstalt, bei zwei Leichen pro Woche.«
Jakob Förster muss lachen: »Da haben Sie auf diese Woche bezogen natürlich recht. Vor diesen Unfällen ist hier aber nicht viel passiert! Insofern schaut der Durchschnitt doch eigentlich hervorragend aus, oder? Abgesehen davon darf der Begriff ›Unfälle‹ ja durchaus hinterfragt werden. Was denken Sie?«
Masseure und Physiotherapeuten liegen zwar, was das Erzählvolumen ihrer Kunden betrifft, weit hinter Friseuren, dafür entspricht das, was sie erfahren, eher den Tatsachen. Denn erstens hockt der Konsument vor keinem Spiegel, und da der Mensch ja am häufigsten sich selbst belügt, fördert so ein ständiger Blick aufs eigene Antlitz nicht unbedingt den Wahrheitsfluss, und zweitens vermittelt die zärtliche Berührung nackter Haut die nötige Vertrautheit.
»Glaub ich, haben Sie ziemlich recht. Ist schon komische Geschichte, besonders, wenn denkt man ein bisserl nach. Hat man viel Zeit hier in Kuranstalt, auch für Kopfzerbrechen.«
Natürlich wären jetzt einige Überlegungen bezüglich der Gestaltung des weiteren Gesprächsverlaufs nicht unangebracht. So viel Besonnenheit darf man nur von einer mit einem lächerlichen Handtuch bedeckten Frau während der Streicheleinheit durch einen gut aussehenden Mann jedoch nicht erwarten. Schon gar nicht, wenn die weiblichen Nerven ohnedies blank liegen und sich endlich die Möglichkeit bietet, ein wenig zur Ruhe zu kommen.
»Und, was ist dabei herausgekommen?«
»Wobei?«
»Bei Ihrem Kopfzerbrechen?«
»Ist das also jetzt Massage inklusive Untersuchung?«
Jakob Förster muss wieder lachen: »Sie gefallen mir.«
»Sind Sie mir viel zu jung.«
Kraftvoll wird eine Stelle im mittleren Bereich der linken Fußsohle bearbeitet, im Djurkovic-Darm rumort es, und der Restkörper kann sich nur mit Müh und Not dagegen wehren, dass sich da die Frage ihres Therapeuten nicht praktisch durch ein leises Zischen gleich von selbst beantwortet.
»Also, was ist da herausgekommen?«, wiederholt Jakob Förster seine Frage.
»Also doch Verhör! Schaun Sie, bin ich jetzt eine Woche da, und jeden Tag war Friedmann lange in See schwimmen, mit perfekte Technik und schwarze Badehose. Und dann geht so eine Sportler einfach unter in Schwimmbad, nackert!«
»Theoretisch kann das ein Herzinfarkt oder weiß Gott was gewesen sein. Wer weiß, was der da im Schwimmbad getrieben hat?«
»Getrieben ist gut. Ist gelegen auf Grund, soviel ich weiß. Außerdem war Friedmann eher Mann von ruhige Sorte. Für den war Schwimmbad dieselbe Kloake wie für mich. So wie ich einschätze, Friedmann wäre nie freiwillig in Chlorwasser gegangen. Und will ich gar nicht anfangen grübeln über Sturz in Haifischbecken und Tatsache, dass vielleicht Anzböck und Friedmann waren verbunden wegen selbe Frau!«
Natürlich meint Danjela Djurkovic damit Gertrude Leimböck, ohne zu ahnen, wie sehr diese Aussage zutrifft, wenn auch in völlig anderem Zusammenhang.
Bedächtig massiert Jakob Förster nun die Grube zwischen Fußballen und großer Zehe, was der Djurkovic ein kurzes »Auweh!« entlockt.
»Das denk ich mir, hier sitzt nämlich der Nacken. Der muss bei Ihnen und Ihrem Kopfzerbrechen ja offenbar Schwerstarbeit leisten!«
Mit einem tiefen Atemzug bejaht Danjela Djurkovic die Bemerkung ihres Wunderheilers und inhaliert hörbar das zitronige Aroma der Duftlampe.
»Litsea cubeba«, deutet ihr Masseur dieses Seufzen richtig.
»Wie bitte?«
»Litsea-cubeba-Öl. Riecht gut, nicht?«
Und weiter geht es an der Fußsohleninnenseite abwärts. Jakob Förster massiert und kommentiert: »Halswirbelsäule – Schilddrüse – Herz.«
Dann lösen sich seine Hände, und es passiert längere Zeit nichts. Danjela öffnet die Augen, neben ihr steht Jakob Förster, schaut sie an, und sein Blick glänzt. Leise flüstert er: »Frau Djurkovic?«
»Ja?«, flüstert sie zurück.
»Wissen Sie, was ich jetzt gerne tun würde?«
»Nein?« Jetzt hat sie Herzklopfen. Bis auf dieses Nichts aus Frottee ist sie entblößt, und so schön der Mann
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