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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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da über ihr auch ist, die Blöße gibt sie sich nicht, völlig legitime weibliche Hirngespinste in die Realität hinübergleiten zu lassen. Gegen keinen Mann dieser Welt würde Danjela Djurkovic ihren Willibald eintauschen, nicht einmal für ein paar lächerliche Minuten. Langsam setzt sie sich auf und zieht das Handtuch straffer um ihren Körper, sichtlich um Distanziertheit bemüht.
    »Warum sitzen Sie jetzt?«, fragt Jakob Förster sie. Es dauert ein wenig, bis er begreift: »Bitte legen Sie sich wieder hin, liebe Frau Djurkovic. Ich glaub, Sie verstehen mich da völlig falsch! Von mir brauchen Sie hier keinen Übergriff zu befürchten. Es geht eher um einen Angriff.«
    Peinlich ist ihr das, der Danjela. Mit einem an die Rotfärbung ihres durchgekneteten Körpers angepassten Gesicht legt sie sich wieder hin, in der Hoffnung, sofort in den Erdboden zu versinken. Jakob Förster drückt ziemlich fest in die Mitte der rechten Fußsohle: »Nicht aufregen! Stress beeinträchtigt die Gesundheit.«
    »Autsch!«
    »Na sehn Sie! Das war jetzt die Leber. Stress schadet der Leber übrigens genauso wie beispielsweise Alkohol. Trinken Sie mehr, und klettern Sie weniger an der Außenfassade entlang!«
    Der erstaunte Djurkovic-Augenaufschlag ist nicht zu übersehen. »Woher wissen Sie von meine Kletterei? Wieder von Professor?«
    »Ja. Keine Sorge, das weiß sonst keiner, und ich hätte an Ihrer Stelle wahrscheinlich genauso gehandelt. Das hab ich Professor Berthold auch so gesagt. Er berät sich immer sehr intensiv mit mir über seine Patienten und Sorgenkinder, außerdem sind wir gute Freunde.« Jakob Förster zögert kurz. »Und, hat sich der Ausflug wenigstens gelohnt?«
    Der Djurkovic ist offenbar deutlich anzusehen, dass sie zu diesem Thema wirklich nichts mehr zu sagen gedenkt. So entspannt kann die Danjela nämlich gar nicht sein, dass sie sich so weit aus dem Fenster lehnt.
    »Ich muss mich wiederholen: nicht aufregen! Um auf meine missverständliche Bemerkung zurückzukommen. Also, wissen Sie, was ich jetzt gerne tun würde? Ich würd Sie gerne nadeln!«
    »Wie bitte?« Die Djurkovic verschluckt sich, was ein abermaliges Aufsetzen zur Folge hat.
    Jakob Förster muss ein drittes Mal lachen. Wenigstens er hat seinen Spaß. »Also, Frau Djurkovic! ›D‹, nicht ›g‹. Nadeln! Akupunktieren! So verspannt, wie Sie in der Nackengegend sind, können ein paar Nadeln Wunder wirken. Wäre Ihnen das recht?«
    Was soll sie sagen, die Danjela, irgendwie ist sie ohnedies ein wenig vor den Kopf gestoßen.
    »Dann bitte. Stechen Sie!«
    »Sie müssten sich nur seitlich hinlegen.«
    Oh je, denkt sich die Djurkovic, meine Schlafposition!
    Es folgen Einstiche in der Schulterblattgegend und im vorderen Schulter- und Schlüsselbeinbereich. Jakob Förster treibt durch Drehbewegungen die Spitzen der Nadeln bis zum Nerv und es mit den Nerven der Danjela auf die Spitze.
    »No!«, meint diese mit schmerzverzogenem Gesicht. »Wo ist Entspannung?«
    Jakob Förster schmunzelt nur, setzt der Djurkovic eine Nadel zwischen Nase und Oberlippe, so schmerzhaft, dass ihr die Tränen kommen, dimmt das Licht, streicht ihr liebevoll über den Kopf und verlässt den Raum.
    Es dauert nicht lange, und die Entspannung beginnt zu wirken. Wenn die Djurkovic allerdings vorher gewusst hätte, dass die meisten der Nadeln nicht nur Nackenverspannungen lösen, sondern auch Winde, sie wäre nicht das schnarchende Opfer ihrer stabilen Seitenlage geworden.
    36
    W AR DAS JETZT X AVER F RIEDMANN? , fragt sich der Metzger. Ein spuckender Bruder, der sich diese Demütigung nun zum letzten Mal erlaubt haben soll? Das zeugt nicht unbedingt von großer Geschwisterliebe. Wobei ihm so etwas wie Liebe am Hirzinger-Hof in keiner Art und Weise untergekommen ist. Da war nichts als Kälte.
    »Ungemütlich!«
    »Was?«
    »Bei Ihnen zu Hause.«
    Sascha Friedmann blickt starr auf die Straße: »Das ist nicht mehr mein Zuhause!«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich werd nicht mehr zurückfahren.«
    »Wie bitte?«
    Vorsichtig blickt er den Metzger an und gesteht kleinlaut: »Ich hab Sie benutzt.«
    »Inwiefern?« Dem Metzger steht die Verunsicherung ins Gesicht geschrieben.
    »Mir haben noch ein paar wichtige Sachen gefehlt. Einen Tag hätte ich ursprünglich weg sein sollen, geworden ist es eine Woche, zum ersten Mal. Glauben Sie mir, ohne Ihre Anwesenheit am Hof wäre das vorhin alles ganz anders ausgegangen. Nichts ist schlimmer für meinen Großvater als Fremde im Haus! Es weiß ja kaum

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