Der Metzger geht fremd
überhaupt sind die Djurkovic-Hände überraschend weich und geschmeidig, ebenso die beim flüchtigen Begrüßungsbusserl wahrgenommenen Wangen, die im dezent geschminkten Gesicht der Fremden zu einem durchaus sinnlichen Lächeln verzogen sind. Nein, dieses ansehnliche Weibsbild hat sich eindeutig nicht selbst herausgeputzt, da ist sich der Willibald absolut sicher, das wäre nämlich weitaus deftiger ausgefallen. Wenn es um das von Danjela Djurkovic höchst selten praktizierte und im Grunde verachtete kosmetische Aufgeblähe geht, verfügt sie nämlich über einen ähnlich ästhetischen Feinsinn wie eine optisch auf Biegen und Brechen zur Dame umfunktionierte Sechzehnjährige. Heute gefällt sie dem Metzger ausnahmsweise auch in diesem Ausnahmezustand. Hauptgrund dieses Gefallens sind die von Blond auf Kastanienrot umgefärbten Locken. Da wurde von der Person an der Schere dermaßen Schneid bewiesen, dass dem Metzger mittlerweile klar wird, er hat diese neu verputzte Danjela Djurkovic vorhin garantiert genauso gnadenlos unbeachtet links liegen lassen wie die Führungsspitzen der Wirtschaft die endlose Reihe der am Arbeitsamt angestellten ehemaligen Mitarbeiter.
»Kann schon sein, dass ein Mann, ohne dabei der Polygamie zu frönen, unwissentlich die eigene Frau mit der eigenen Frau betrügt. Das ist aber mit Sicherheit immer noch feiner, als wenn die eigene Frau ihren eigenen Mann mit sich selbst hintergeht, und zwar wissentlich. Auch wenn dir das Resultat zugegeben hervorragend zu Gesicht steht! Aber darum geht es nicht! Ich hatte einen guten Grund, dich zu bitten, auf dem Zimmer zu bleiben!«
Beim Metzger wird die Sorge nun trotz der betörenden Djurkovic-Vanillenote von einer kräftigen Portion Verärgerung abgelöst: »Wie soll ich dir da vertrauen? Das ist ja kein Kinderspiel! Bei all dem, was dir schon passiert ist!«
»Ich müssert jetzt wieder heimfahren, Herr Metzger!«, versucht im Hintergrund Günther Kaiser die Ruhe vor den aufkommenden Turbulenzen zum rechtzeitigen Abflug zu nutzen. Nach einer überschwänglichen Verabschiedung mit allerlei Dankesbekundungen und Wiedersehensversprechungen, die völlig unerwarteterweise nicht die üblichen leeren Versprechungen bleiben werden, wendet sich der Metzger wieder seiner ernsteren Rolle zu.
Ohne Chance auf Erfolg. Liebevoll streicht ihm Danjela Djurkovic über die verschwitzten Backen: »Willibald, bist du so eine gute Mann. Ist schön, wenn zeigt Mann seine Sorge. Aber bin ich auch gute, brave Frau. Weiß ich schon, wann ist Zeit für Vernunft. Service war höchstpersönlich bei mir in Zimmer, sogar Friseur Gerry!«
»Auf dem Zimmer?«
»Keine Sorge, mag Gerry lieber eine Walter als eine Waltraud. Und bin ich erst aus Zimmer, nachdem mir Burgstaller hat Tumult erklärt über Telefon. Übrigens, Förster wollte mit mir reden. Hab ich ihm gezeigt kalte Schulter!«
»Na, die hat er jetzt wahrscheinlich selber, die kalte Schulter! Und du kannst von Glück sprechen, dass es ihn und nicht dich erwischt hat!«
Dann erfährt der Metzger aus dem Mund der mittlerweile aufgetauchten Helene Burgstaller, was da genau los war und warum Benedikt seinen Bruder lebensgefährlich verletzt hat. Es habe eher nach Verzweiflung ausgesehen, schildert sie. Und während der Willibald der Erzählung von gekränkter Bruderliebe und Rache für den Tod des Vaters zuhört, wird ihm klar, dass die Djurkovic-SMS und sein verlorenes Handy die wahren Attentäter sind. Was für ein schrecklicher Gedanke!
Von der anderen Seite des Foyers wirft ihm Benedikt Friedmann einen trüben und mitleiderregenden Blick zu, so als würde er langsam kapieren, was durch seine Hand da gerade Grauenhaftes passiert ist. Man kann es dem Metzger nach den Ereignissen dieses Tages wirklich nicht übel nehmen, dass ihm da jetzt statt Anteilnahme der Gedanke kommt: Es ist offenbar doch etwas anderes, einen Menschen abzuschlachten als eine Sau.
Dass es dem Metzger und der Djurkovic dann beim gemeinsamen Abenddinner in Gegenwart des Schweinsmedaillons auf Eierschwammerln mit Bergkäsepolenta an Appetit mangelt, versteht sich von selbst.
Danjela Djurkovic kann nicht fassen, was da im Laufe des Tages an die Oberfläche gekommen und was ein Handyverlust auszulösen imstande ist. Natürlich hat der Metzger zwecks zukünftiger Kommunikation umgehend das Friedmann-Handy bekommen, und natürlich hat er seiner Danjela vorhin auf dem Zimmer nicht alles erzählt, nur das Wichtigste. Benedikt Friedmann wurde aus dem
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