Der Metzger geht fremd
Hinterwäldlerbitte: »Kann man Schnitzel schnell warm machen mit Mikrowelle!«
Dem folgt ein überraschend gemütlicher Abend an der Hotelbar. Das liegt vorrangig an der durchaus unterhaltsamen Genauigkeit, mit der sich die euphorisierte Djurkovic zur Feier des geklärten Falles ihrem Vorhaben widmet, all jenen Getränken in der Cocktailkarte auf den Grund zu gehen, deren Namen ihr und deren Inhalt in weiterer Folge dem Metzger ziemlich kriminell erscheinen. Black Death, Bloody Mary, Bronx, French Connection, Harakiri Sour, Toxic Refuse, Tequila Sunrise, Suffering Bastard und Lady Killer werden herausgesucht, dann beginnt das muntere Verkosten, wobei hier nur bezogen auf den Metzger von »Kosten« die Rede sein kann, denn die Djurkovic geht entsprechend ihrem Vorhaben den Getränken wirklich auf den Grund. Da bleibt kein Tröpferl in den zumeist seltsam gestalteten Gläsern, aus deren Oberkante neben den ohnedies schon geschmacklosen Schirmchen und undefinierbaren Plastikteilen auch noch dermaßen kitschig glitzerndes Klimbim ragt, dass es dem Metzger so vorkommt, als sei er zu Gast auf einer Kindergeburtstagsparty. Und da wird er natürlich gleich ein wenig rührig, wäre es nämlich tatsächlich eine Kindergeburtstagsparty, es wäre seine erste.
Wenn während einer zwölfjährigen Schulzeit die wechselnden und immer ähnlich liebenswerten Mitschüler für den strebsamen, fetten Sonderling mit seiner Krankenkassenbrille in der ersten Bankreihe nichts übrighaben, trifft das selbstverständlich auch auf all die regelmäßig verteilten bunten Einladungen zu: Für den Willibald war keine mehr über, obwohl er jedes Jahr, bis zur Matura, am eigenen Geburtstag seinen netten Klassenkollegen die zwei Schachteln Schokobananen mitbringen musste, die ihm seine ansonsten sparsame Mutter zu diesem Zweck besorgt hatte. Und wie das Amen im Gebet sind die lieben Kollegen genauso brutal über die Schachteln hergefallen wie in diversen Pausen über den Metzger selbst, für den natürlich selbstredend ein ums andere Mal nichts übrig blieb. Dass auf dieser Welt die Verteilungsgerechtigkeit im Argen liegt, gehört bereits zum fixen Lehrinhalt der ersten Kleinkinderspielgruppe. Und weil dem Gesetz des Stärkeren zur Folge gar nicht so selten genau die in den Chefetagen landen, die sich bereits im Kindergarten die meisten Schokobananen gekrallt haben, wird sich an den Verteilungsprinzipien der Menschheit nie etwas ändern.
Das wird für den Metzger dann auch in der ebenso kriminellen rechten Spalte der Cocktailkarte ersichtlich, denn dass da höhere Preise stehen als neben einem guten Achterl Rot, ist in seinen Augen gleich das nächste Verbrechen. Zum Glück muss die zur Entschädigungskur eingeladene Djurkovic keinen Cent aus der eigenen Tasche begleichen. Und zum Glück bringt sie trotz beträchtlicher Alkoholisierung noch ausreichend Liebreiz zustande, um dem äußerst charmanten Flüssigkeitsverunstalter Hermann hinter der Schank einen für den Willibald höchst erfreulichen Satz zu entlocken: »Wenn ich hier zusperr, können Sie bei mir einsteigen, Herr Metzger, ich fahr nämlich nachher direkt bei der Hackenberger vorbei!«
Das »Nachher« lässt nicht lange auf sich warten, denn das letzte Getränk, der Lady Killer, wird mit beinah erschreckender Präzision seinem Namen gerecht. Und während der Barkeeper noch erklärt: »Die Bloody Mary trinkens dann morgen früh, Frau Djurkovic, wie sich's gehört!«, hört sie garantiert nichts mehr, die grunzend nach vorn gekippte Danjela. Gehörig abmühen müssen sich dann der Metzger und der hilfsbereite Hermann, bis das Djurkovic-Gegrunze nur noch das Zimmer 3.14 erschüttert.
Ein paar Zeilen an seine Danjela, ein Kuss auf ihre Stirn, ein einsames Achterl Rot an der Bar, während Hermann zusammenräumt, und schon ist er dahin, einer der erlebnisreichsten Sonntage des Willibald Adrian Metzger.
Den Abschied von seiner Danjela hat er sich natürlich gänzlich anders ausgemalt. Nur schert sich halt das Leben einen Dreck um das, was sich egal wer so erwartet.
Morgen geht es wieder nach Hause, und obwohl der Metzger diesbezüglich von einem Gefühl unsagbar wohliger Wärme erfüllt wird, packt ihn jetzt gewaltig die Wehmut. Denn aufsein inneres Bild von »Daheim« hat sich zu seiner Werkstatt, seinen Möbeln und seinen eigenen vier Wänden längst die Djurkovic dazugesellt.
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Anton & Ernst – Die Vierte
Anton: Ernst, ich bin traurig!
Ernst: Dann sei froh, dass man deine
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