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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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emporhieven und durch die aufgebrochene Abdeckung ins Becken zurückbefördern. Dort zieht er sich abermals in seine Ecke zurück.
    »Und jetzt! Willst du schneiden fertig?«, meint die Djurkovic herausfordernd der Leimböck zugewandt.
    »Eigentlich wäre ich erst fertig, wenn du dich von mir genauso bloßgestellt fühlst wie ich von dir. Und das ist frisurentechnisch in meinen Augen die Glatze. Das war ursprünglich der Plan. Ich geb mich aber auch mit dem jetzigen Resultat zufrieden, wir sind also quitt!«
    Die Djurkovic denkt kurz nach, weiß, dass dieser Leimböck-Haarschnitt durchaus als Körperverletzung durchgeht und darum im Vergleich zu ihren eigenen kleinen Sticheleien von quitt keine Rede sein kann, denkt an ihre tiefe Sehnsucht nach einer friedlichen Restaufenthaltszeit hier im Sonnenhof, denkt sich: Haare wachsen, und meint innerlich befreit: »Quitt? Sagen wir, hab ich gut eine Cocktail!«
    »Darüber müssen wir noch reden!«
    »Reden ist gut!«
    Das wäre es auch für den Fisch. Dem bleiben gegenüber seinem menschlichen Umfeld allerdings nur sehr eingeschränkte Verständigungsmittel.
    Abermals donnert er gegen die Scheibe.
    »Tolle Rettungsaktion!«, meint Gertrude Leimböck, während Danjela, so gut es geht, ihre kastanienroten Locken vom nassen Boden zusammensammelt.
    »Notfallknopf!«, erklärt sie beim Gehen.
    Hinter ihr ertönt erneut ein dumpfer Schlag.
    56
    »U ND WIE SEID IHR VERBLIEBEN ?«, fragt der Metzger völlig verdattert nach dieser rundweg grotesken Schilderung seiner Danjela. Mittlerweile hat der Zeiger seiner Werkstattuhr eine komplette Runde hinter sich gebracht, ein neuer Tag hat begonnen.
    »Haben wir noch lange geredet auf ihre Zimmer. Ist eigentlich eh ganz nette Person. Hat mir noch geschnitten Haare auf halbwegs ansehnliche Kurzhaarschnitt. Und weil wird viel geredet bei Friseur, vor allem über Beziehungsschlamassel, weiß ich jetzt jede Menge kleine Schweinereien aus Kuranstalt! Hat sie recht viel geredet, die Leimböck, glaub ich, braucht sie richtige Freundin!«
    »Und diese neue Freundin bist für die restlichen Tage jetzt du?«
    »Na, ist mir lieber Leimböck an Seite als Leimböck in Buckel! Aber hörst du zu: Leimböck hat gehabt was mit Friedmann, soll gewesen sein ganz eine wilde Stier. Zu wilde Stier. Hat sie deshalb gewechselt zu Ferdinand Anzböck. War richtig Erholung, weil Hausmeister hat gehabt südliche Temperament wie während Siesta. Sagt Leimböck, ab gewisse Alter ist sowieso besser Siesta als Rodeo. Was meinst du?«
    Zum Glück sieht die Danjela jetzt nicht, wie ihr Willibald verlegen mit einem Bleistift auf seiner Werkbank herumkritzelt.
    »Müssen wir ausdiskutieren zu Hause!«, kommentiert die Djurkovic die plötzliche Stille am anderen Ende der Leitung.
    Dann setzt sie fort: »Hat Leimböck noch erzählt, dass Anzböck und Friedmann haben viel geredet, wie gute Freunde. Ist komisch, oder? Und dass Hausmeister Anzböck kurz vor letzte Fütterung hat gehabt Techtelmechtel mit ›Oh Gott‹-johanna. Und jetzt kommt Höhepunkt: ›Oh Gott‹-johanna ist verschwunden seit Telefonat in Speisesaal!«
    »Du meinst, seit deinem Anruf?«
    »Ja, meine Anruf!«
    »Hast du der Leimböck erzählt, wo du das Friedmann-Handy herhast?«
    »Ja, hab ich doch gefunden auf Gang!«
    »Sehr gut, Danjela! Bitte sei vorsichtig, ja!«
    »Hab ich Schutzengel!«
    »Der wird schon ziemlich erschöpft sein, sag ich dir!«
    »Übrigens Schutzengel…«
    Dann erzählt die Djurkovic von dem durchs Haifisch-becken schwebenden verlorenen Beschützer des fallen gelassenen Unglücksraben Ferdinand Anzböck. Bei: »Goldkette mit pausbackigem Engelsgesicht auf himmelblauem Hintergrund« wird der Metzger ein wenig hellhörig. Das ist ihm jetzt schon gar ein bisserl oft untergekommen, dieses Bild. Und auch wenn die Djurkovic das Ketterl eindeutig als Reliquie des Hausmeisters betrachtet, würde der Metzger diesen Fund eher Xaver-Jakob Friedmann zuordnen. Vermutlich hätte der ins Wasser stürzende Anzböck in Anbetracht seiner Haie noch gerne irgendwo Halt gefunden. Immerhin soll ja, laut Reindl-Bauer, jedes der Hirzinger-Enkerln vom Großvater mit so einem Anhängsel markiert worden sein. Natürlich vorausgesetzt, sie wurden auch alle getauft.
    Nach einer liebevollen Verabschiedung legt er das Friedmann-Telefon auf den Tisch. Im Schnelldurchlauf rasen die Ereignisse der letzten Tage durch seinen Kopf, wobei das Hirn gegen Ende dieser gedanklichen Rundreise stark abbremst und ihm in

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