Der Metzger geht fremd
Hirzinger-Töchter, also für Paula und Luise, ergibt zwei, dazu einer für August-David und einer – irgendwie wird der Metzger das Gefühl nicht los, ihn dazuzählen zu müssen – für Ferdinand Anzböck, ergibt vier; und schließlich je einer für jedes der vier Kinder oder Hirzinger-Enkel, also für Xaver, Clara, Sascha und Benedikt, ergibt acht.
Nur zum Beistelltisch fehlt dem Metzger die passende Verknüpfung.
Müde geht der Metzger nach Hause und schleppt sich durchs feuchte Stiegenhaus, an der Hausmeisterwohnung vorbei, hinauf in seine Altbau-Mansardenwohnung. Um anstandshalber endlich den Hund zu sich zu holen, dafür ist es heute schon viel zu spät.
57
B OCKIG WIE EIN ALTER E SEL stemmt sich Edgar am nächsten Morgen gegen den Boden. Muss er da jetzt wirklich mit, nur weil der Metzger ausnahmsweise einmal nicht in seiner Werkstatt allein sein will? Was das »Wollen« angeht, kann da beim Metzger aber nur aus einem Grund die Rede sein: Er will seinem Freund Petar Wollnar, dem am Abend ohnedies wieder seine Zusanne Vymetal ins Haus steht, nicht auch den letzten Tag seiner wertvollen Strohwitwerschaft noch mit dem Hund versauen. Und weil es dann wieder vorbei sein wird mit der so wohltuenden Spontanität ihrer Freundschaft, fallen die Abschiedsworte des Restaurators entsprechend wehmütig aus: »Mach dir einen schönen Tag, und lass dich mal anschauen, würd mich freuen!«
Dann wechseln ein Oxhoft und ein Hund den Besitzer. Dem Rotwein ist das ziemlich egal, dem Hund nicht. Lang allerdings spreizt Edgar seine Haxerln nicht gegen den schneidenden Schmerz und die vom Metzger eingeschlagene Richtung, es gibt ja auch wirklich Schöneres, als zwischen Tür und Angel vom Hundehalsband erwürgt zu werden.
Missmutig nimmt er sein Schicksal an, nur um dann abermals enttäuscht feststellen zu dürfen, dass ihn sein Gelegenheitsherrchen, um in seiner Werkstatt nicht allein zu sein, an diesem Mittwoch gar nicht gebraucht hätte. Das kennt er zur Genüge: Wenn sich ein Mensch mit Menschen umgibt, ist ein Hund wieder allein, außer er legt sich selbsterniedrigend seinem Dosengeber zu Füßen, was Edgar natürlich niemals tun würde.
Es klingelt an der Werkstatttür. Edgar stürmt zum Eingang und wird ohne Zögern einer heftigen Streicheleinheit unterzogen.
»Bist ein Braver!«
In der Tür steht Sascha Friedmann, in einem karierten, weit aufgeknöpften Kurzarmhemd, sportlichen Shorts und ebensolchen Sandalen.
»Ja, Herr Friedmann. Schön, Sie zu sehen. Sind Sie jetzt extra hergekommen? Das ist aber nett!«
Erfreut setzt der Metzger fort: »Vielen Dank noch mal für die wirklich phantastische Überraschung!«
»Das war doch kein Problem, Herr Metzger!«
Während Sascha Friedmann den ihm mittlerweile zugelaufenen Hund krault, meint er: »Schön haben Sie's hier! – Jaja, ein ganz ein Braver bist du!«
Mit wedelndem Schwanz läuft Edgar zuerst eine Runde um den netten Besuch und im Anschluss in den hinteren Teil der Werkstatt. Dort springt er auf die barocke Chaiselongue und schickt ein hysterisches Kläffen durch den Gewölbekeller.
»Ich komm ja schon, ich komm ja schon!«
Sascha Friedmann hat diese Einladung sofort verstanden und legt sich vorsichtig zu Edgar auf die Liege, um ja nicht mit seinen Sandalen den Stoff zu berühren.
»Da müssen Sie nicht aufpassen!«, meint der Metzger.
»Aufpassen muss man immer!«
Der Metzger beschließt, von sich heraus nicht auf die Ereignisse in der Kuranstalt zu sprechen zu kommen.
»Und, haben Sie Ihre Wohnung schon fertig bezogen?«
»Ich schlaf schon dort, aber einiges fehlt noch. Ich hab Zeit!«
»Brauchen Sie Möbel? Da könnt ich mich revanchieren. Ich hätte da eine kleine Rarität, wie geschaffen für eine Junggesellenwohnung! Die schenk ich Ihnen, natürlich nur, wenn Sie Interesse haben!«
Und wie der Metzger in unmittelbarer Nähe der neugierigen Besatzung seiner barocken Chaiselongue, denn auch Edgar hat interessiert sein Köpfchen angehoben, das Leinentuch vom blank polierten Barschrank herunterzieht, fühlt er sich fast ein wenig schäbig.
Da bekommt man unentgeltlich so eine wertvolle Biedermeiergruppe ausgehändigt und hat als Dankeschön nichts anderes zu bieten als ein hässliches, verstoßenes Möbelstück, das nur deshalb in der Werkstatt gelandet ist, weil ein paar Vollidioten das Wort »Restaurator« mit »Mülldeponie« übersetzt haben.
»Ein Traum!« Sascha Friedmann erhebt sich von der
Couch. »Das ist genau so einer wie in
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