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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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privaten Lebenssituation und somit immer noch auf Willibalds Chesterfieldsofa – und das in völliger Lethargie, auch geistiger.
    So kommt es, dass dem Metzger nach der Schilderung seiner sonderbaren Begegnung am Denkmal samt des abrupten Auf bruchs der Knaben nur die gelangweilte Bemerkungzu Gehör gebracht wird: »Na, sind sie halt abgehauen, die Buberln. Was hast du erwartet, dass sie mit dir auf ein Eis gehen?«
    Wie gut das tut, mit einem Kriminalisten unter einem Dach zu wohnen. Und wie gut das tut, irgendwo seinen Unmut loswerden zu können: »Was immer du alles in deiner gigantischen Reisetasche bei meiner Tür hereingeschleppt hast, dein Hirn war jedenfalls nicht dabei. Es geht doch rein um die Frage, warum die Burschen aus heiterem Himmel auf und davon sind!«
    »Hast du gehofft, sie verraten dir davor noch schnell den vollständigen Namen, die Anschrift und die Telefonnummer ihres Freundes? Außerdem, warum interessiert dich der Bursche, willst du Rache üben? Deine Sachen sind zurück, sei froh!«
    »Sag, Pospischill, gestatte mir die Frage: Das ist jetzt keine Verstellung, dein schlichter Geist, oder? Nochmals: Warum werde ich nach meiner Bemerkung, der Junge hätte jeden Cent zurückgebracht, als Lügner bezeichnet und steh plötzlich allein beim Denkmal? Außerdem suchen die Burschen oder zumindest eine Dame ebenso nach dem Knaben. Da stimmt doch was nicht! Vielleicht ist der Junge abgängig!«
    »Das ist alles die reinste Spekulation. Und wenn, vielleicht sitzt der Rotzbub in aller Ruhe zu Hause bei seiner Mama den verdienten Hausarrest ab! Abgesehen davon hab ich in Anbetracht einer durchschnittenen Kehle wirklich Besseres zu tun. Wie ist das bei dir? Wer von uns beiden geht eigentlich einkaufen? Der Kühlschrank ist leer!«
    »Das tut mir wirklich aufrichtig leid, aber weißt du, lieber Eduard, bei leer denk ich in letzter Zeit ausschließlich an mein Wohnzimmersofa!«
    Und auch wenn der Metzger natürlich versteht, dass die ermordete Musikerin das wichtigere Thema ist, lässt ihn das Unbehagen jetzt trotzdem nicht los.

    Am nächsten Tag wird sein Wunsch erfüllt, denn Eduard Pospischill muss früh zur Arbeit. Auch der Metzger folgt seiner Berufung, wenn auch mit einigen Unterbrechungen.
    Gegen elf Uhr gibt es in der Werkstatt den ersten Anruf: »Hallo, Quartiergeber, nur kurz: Tut mir leid wegen gestern, ich war einfach nicht gut drauf. Ohne konkrete Infos können wir aber nichts tun wegen des Burschen! Mit einem Namen, am besten dem Vor- und Zunamen, wär es leichter!«
    »Welche Einsicht!«, hält sich auch der Metzger kurz und legt wieder auf.
    Kurz vor zwölf klingelt es erneut: »Hallo, hier Metzger, Restaurator. Wer spricht?«
    »Ich! Du warst gestern bei dem Denkmal, ja?«
    Es ist eine volle, stakkatoartige Stimme, weitgehend ohne Sprachmelodie, und es ist eine akzentfreie deutsche Sprache.
    »Ja! Und wer will das wissen?«
    »Ich! Bis gleich.«
    Das war’s, aufgelegt. Nur wer ist ich, und was heißt bis gleich? Bis gleich heißt: bis kurz nach vier. Dann erfährt die Glocke über der Werkstatttür eine Erschütterung. Allein am Klingelgeräusch kann der Metzger erkennen, ob da gleich eine energische, gehetzte, zurückhaltende oder gar vorsichtige Person die Stiegen herunterkommen wird. Und selten noch hat ihn seine Glocke getäuscht.
    »Hallo.«
    Ja, der Metzger hat richtig gehört. Es war kein Hallo mit Fragezeichen, sondern ein Hallo mit Punkt, kein »Ist jemand hier?«, sondern ein »Hier bin ich«. Und genauso blickt dem Restaurator der Besucher unter seiner grünen Haube nun entgegen. Schweigend. Ein wenig dauert es, bis der Metzger sein Erstaunen unter Kontrolle hat.
    »Hallo, Oskar, du heißt doch so?«
    »Ja, Oskar heiß ich! Oskar Marek.«
    »Hast du vorhin bei mir angerufen?«
    »Nein, der Bundespräsident!«
    Jetzt lächelt der Junge ja sowieso grundsätzlich und strahlt dabei eine Zufriedenheit aus, die ihresgleichen sucht, dennoch kommt es dem Willibald so vor, als hätte sich in diesen Gesichtsausdruck ein wenig Schalk dazugemischt.
    »Der Bundespräsident, aha. Bekomm ich also endlich meinen Orden, oder will er einfach nur was von mir?«
    »Ein Bundespräsident will einfach nur wiedergewählt werden!«
    Der Junge macht also Witze. Witze, die der Metzger einem Jungen keineswegs zugetraut hätte, abgesehen davon, dass er ja gar nicht weiß, was er einem derartigen Burschen überhaupt zutrauen kann. Da geht es ihm aber nicht allein so, denn dort, wo sich all jene

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