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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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WIEDER EINMAL zu Besuch. »Nein, wirklich, mein Schatz, dieses Computerzeugs, du weißt ja, das ist nichts für mich!«, hat sie ihr erklärt.
    Immer dieselbe Antwort, da ist die Oma einfach konsequent, so wie bei der Marillenmarmelade und bei dem, was stets dieser Antwort folgt. Denn natürlich hat Sandra Kainz, bevor sie in der mit warmem Wasser gefüllten Badewanne in einen zumindest andeutungsweise mit Entspannung vergleichbaren Zustand versinken konnte, ganz der stillen Vereinbarung entsprechend eine unangetastete Patience am Bildschirm offen gelassen.
    Dieser Ablauf, der ihr dreimal die Woche zuteilwird, ist ein stilles Ritual. Durch die offene Tür wird er fast zum Standbild, der Rücken ihrer vor dem Computer sitzenden Oma. Nur die Ellbogen bewegen sich leicht hin und her, gelegentlich bewegt sich der Kopf, oder ein Seufzerdringt durchs Wohnzimmer. Seit ihre Großmutter ganz von allein herausgefunden hat, wie sich ein neues Spiel eröffnen lässt, bleibt Sandra so lange in der Badewanne, bis sich die Wasser- der Zimmertemperatur empfindlich angenähert hat. Dann zieht sie fröstelnd den Stöpsel, und der Abfluss schlürft die Wanne aus. Auch dieser Ablauf ist ein Ritual, nur eben kein stilles, denn die Kainz-Oma kehrt lärmbedingt aus ihrer geistigen Abwesenheit zurück: »Sandra, mein Schatz, bist du leicht schon fertig?«
    Ja, das ist sie, nur mit dem »leicht« ist es vorbei, sobald die Wanne leer geworden ist. Kurz darauf ist sie weg, die Oma, mit dem obligaten feuchten Kuss auf die Stirn, und da sind sie, die Freunde. Sechsunddreißig hat sie allein auf Facebook, und auch hier dürften es ein paar sein:
Bungee11
Habt ihr gelesen von der toten Musikerin? Schrecklich! Welcher hirnverbrannte Idiot schneidet jemandem die Kehle durch und schmeißt ihn dann in den Mistkübel?
schwarz_auf_weiss
Was findest du schrecklich: die Tatsache, dass wer ermordet wurde, oder die Tatsache, dass es außerhalb deiner heilen Ratgeberwelt ein bisserl grauslich zugeht?
Bungee11
Ein bisserl grauslich? Was bitte ist grauslicher als so was?
Schleudertrauma
Ich kann mich täuschen, aber vielleicht gibt es ja doch ein paar Individuen, die im Gegensatz zu dir die Lektüre einer Tageszeitung nicht mit dem Horoskop, Sport- oder Gesellschaftsteilbeginnen, sondern von vorne: Innenpolitik, Außenpolitik. Da erübrigt sich die Frage, was grauslicher ist.
Qrz15h
Da bin ich anderer Meinung. So ein Mord konfrontiert uns mit der Unmittelbarkeit der Grauslichkeit des einzelnen Menschen, ohne die die Grauslichkeiten der Weltpolitik gar nicht möglich wären. Das Böse steckt in jedem von uns.
Silikonprophet
Jawohl, in jedem stecken. Da wär ich gern das Böse, und stecken würd ich gern in Angelina Jolie.
0-8-15
Was, die Jolie gefällt dir? Respekt, die gefällt doch sonst keinem! Bevor du mit der in die Kiste darfst, musst du in die Sandkiste und ein Kindergartendiplom vorweisen.
Wotan7
Um die Musikerschlampe ist es doch nicht schad. Die stammt aus einer stinkreichen Diplomatenfamilie. Da kommt mir wirklich keine Träne. Böse ist nur dieses liberalgeschwängerte Geschwafel. Nach außen auf die Barrikaden steigen für das ganze Gesindel und zwei Schnellbahnstationen entfernt die eigene Großmutter verrecken lassen im Gemeindebau.
Qrz15h
Wie gesagt: Das Böse steckt in jedem von uns. Der Keim allen Übels ist der Mensch.
Kammerton
Da hast du recht, Qrz15h, der Keim allen Übels ist der Mensch: Kommendes Wochenende stirbt der Nächste.
Schleudertraum
Beruhigend, kommendes Wochenende stirbt jemand. Das heißt, die ganze Woche davor stirbt niemand. Ist der Sensenmann also ein Netter und hat einen kleinen Wellnessurlaub eingeschoben, wunderbar.

11
    E S DAUERT, BIS DER M ETZGER in den Stauden seinen Schlüssel findet, um schließlich völlig verdattert den Retourweg in Angriff nehmen zu können. Was war das jetzt für ein seltsamer Auftritt? Und warum haben alle mit überzeugender Einigkeit die Flucht ergriffen? Alle, bis auf Oskar?
    Eine Zeit lang bleibt er noch vor dem Fenster seiner Danjela stehen und gibt sich in Anbetracht der dunklen Räume voll Selbstmitleid der Geisel des Konjunktivs hin: »Wenn jetzt noch Licht wäre, ich würde klopfen, bestimmt!« Dann schleppt er sich heimwärts, samt der Möglichkeitsform: »Natürlich hätte ich auch ohne Licht anklopfen können!« Im Wohnzimmer finden sich dann genau die zwei Richtigen, denn auch Eduard Pospischill wälzt sich wehleidig im Morast seiner eigenen, ebenfalls unerfreulichen

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