Der Metzger holt den Teufel
Fazit: Schuld ist immer die Polizei.
Da braucht der Metzger wenig später wirklich keinen Dolmetscher, um die eindeutige Botschaft zu entschlüsseln: »Ich bin schuld. Verdammt, ich hätte dich nicht bitten sollen, Eduard! Ich hab mir irgendwie Sorgen gemacht um den Jungen, und jetzt ist der Bursche unmittelbar nach Auftauchen der Polizei verschwunden!«
Hundsmiserabel fühlt er sich, und keines der gut gemeinten Worte ist ihm ein Trost: »Ja, spinnst du, Metzger. Völlig richtig war das alles! Mach dir keine Sorgen: Der Junge hat dich bestohlen und es nach unserem Anruf mitder Angst zu tun bekommen, ist doch logisch! Der taucht wieder auf, ganz von allein, garantiert!«
Aber Philipp Konrad taucht nicht gleich wieder auf, schon gar nicht von allein.
Und da ist er nicht der Einzige, denn wie sich im Zuge der beginnenden Verhöre aller Orchestermitglieder herausstellt, waren die beiden musizierenden Damen bis vor Kurzem eine Dreiergruppe: die beiden Jungen, also die ermordete Galina Schukowa und die Cellistin Annabelle Wertheim-Müllner, sowie die Grande Dame an der Harfe. Und dass von diesem Triumvirat nur noch eine übrig ist, nämlich Annabelle Wertheim-Müllner, liegt am Verschwinden der ehrenwerten Käthe Henrikshausen. Mittlerweile seien es etwa zwei Wochen, wurde dem Kommissar da während des Gesprächs von der äußerst aparten Annabelle Wertheim-Müllner erklärt: »Stellen Sie sich das vor. ›Ich geh schnell mit Fridolin vor die Tür!‹, hat die Käthe zu ihrem Mann gesagt. Gut, vor die Tür ist natürlich eine äußerst dehnbare Ortsangabe, und ganz ehrlich gesprochen: Wenn ich sie wäre, hätte ich bei so einem Langweiler von Mann, wie es ihr Walter ist, Walter sagt ja schon alles, auch meinen Dackel auf der anderen Hemisphäre äußern geführt!«
Sie fehlt tatsächlich, die kinderlose Käthe Henrikshausen, und der Pospischill hat somit die nächste Baustelle offen.
So wie der Metzger. Denn nicht nur, dass er seinen überreizten Untermieter auf das Thema Philipp Konrad gar nicht erst anzusprechen braucht, braut sich auch im Hause Djurkovic ein Gewitter zusammen. Bei den abendlichen, durchaus freundlichen Telefonaten ist ihm das erhoffte»Ach meine Willibald, sehen wir uns bald, hab ich schon große Sehnsucht!« nämlich nicht zu Ohren gekommen. Woher soll er auch wissen, dass seiner Danjela eigentlich seit Montag dieses »Kommst du einfach wieder wie letzte Montag vorbei nach Arbeit, schleichst du aber nix mit Flasche Wein herum vor Fenster, sondern klopfst du, auch wenn ist dunkel!« auf der Zunge liegt. Ganz nachvollziehen kann sie es nicht, was da in einem Männerhirn so vorgehen muss, um sich derart hartnäckig gegen die eigentlich deppensichere Gewissheit zu sträuben: Nichts liebt ein Weibchen wie Danjela Djurkovic mehr, als völlig überraschend von ihrem Auserwählten besucht zu werden. Warum aber geht er einfach weiter, mitten in der Nacht, ihr Willibald? Mit zwei möglichen Antworten wurde diese Frage bisher von ihrer Logik beschenkt: »Will er mir sagen was Schönes, und hat er Hose voll?« Oder: »Hat er schlechte Gewissen und Hose voll?«
Die vor ihren Augen richtige Lösung lässt nicht lange auf sich warten.
13
E S IST F REITAG , und obwohl es vom anbrechenden Herbst bis zur nächsten Osterwoche noch ein Weilchen dauert, wird es für den Willibald und die Danjela ein Karfreitag mitten im September – eingeläutet durch die Werkstattglocke. Diesmal scheint es, als wäre sie sanft über ihren kleinen gusseisernen Mantel gestreichelt worden. Auch die anschließenden Schritte hören sich eher nachEinbrecher als nach Kundschaft an. Und wie gesagt, recht hat sie, die Akustik. Es wird ein Einbruch ins Leben des Restaurators, den er niemals für möglich gehalten hätte, so weit außerhalb seines Denkens wie die Mensur einer schlagenden Burschenschaft. Und doch versetzt es ihm einen Treffer bleibenden Ausmaßes.
Vor ihm steht eine Frau. Aufrecht, gertenschlank, perfekt angezogen, alles in Schwarz gehalten, eine Figur eins zu eins von einem der realitätsfernen Bilder einer Hochglanzformat-Lektüre hinein in die Wirklichkeit gepaust. Glattes dunkles Haar umrandet in beinah geometrischer Gepflegtheit ein wunderschönes Gesicht mit leuchtend smaragdgrünen Augen. So könnte sie ausgesehen haben, Kleopatra, geht es dem Metzger anerkennend durch den Kopf. Auch wenn dieses anmutige Bild keineswegs seinem Schönheitsideal entspricht, hat er jetzt doch ein wenig Herzklopfen.
»Für hübsche
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