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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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schlendert er also mit seiner Flasche Rotwein in der Hand an der Truppe vorbei und nimmt unbemerkt auf einer der Bänke Platz. Bis schließlich ein kleinwüchsiger Knabe, der um diese Zeit längst im Bett sein sollte und ebenso wie der Restaurator ein paar Kilo Hüftspeck zu viel durch die Gegend schleppt, sein Bretterlweder vorn noch hinten hochbekommt. Stattdessen schießt es scheppernd davon.
    Nach einem kurzen schmerzbedingten Grunzen hebt Willibald Adrian Metzger seinen Fuß, stellt ihn auf das Skateboard und reibt sich seinen Knöchel. Zuerst steht nur der Kleine vor ihm, in blauer Jeans, weißem T-Shirt und blauer Wollhaube, also die Flagge von Honduras, El Salvador, Nicaragua oder Guatemala hochgestellt. Lang dauert es dann nicht, und es folgt eine höchst beachtliche Föderation: einmal blaue Jeans, gelbes T-Shirt, grüne Haube, also Gabun oder Saint-Vincent seitwärts; zweimal blaue Jeans, gelbes T-Shirt, rote Haube, also hochgestellt Andorra, Rumänien oder der Tschad; einmal blaue Jeans, weißes T-Shirt, grüne Haube, also Sierra Leone; und zweimal blaue Jeans, weißes T-Shirt und rote Wollhaube, also Holland, Luxemburg oder Paraguay  – diese Kombination ist dem Metzger ja mittlerweile bekannt. Ein derart adjustierter Gartenzwerg hat ihm erst vorgestern das Sakko ein wenig äußerln geführt, bevor es wieder gut ausgelüftet zurück zum Herrchen durfte. Offenbar ist heute ein anderer Zweireiher an der Reihe, denn genau dieser kleine, magere Junge fehlt, da ist sich der Metzger absolut sicher.
    Der größte der sieben Knaben, dem ein lichter Pubertätsflaum das Kinn mehr oder weniger bedeckt, entpuppt sich als Wortführer. Und entpuppen muss er sich wirklich, denn was der Bart an Längenwachstum und Fülle noch nicht geschafft hat, machen die Haare gut. Vom Rand der roten Haube hängen sie ihm übers Gesicht bis hinunter zum Kinn, so als wolle die Raupe sich selbst, den Schmetterling, in aller Ruhe ungestört schlüpfen lassen. Die Hälfte eines Auges blickt den Restaurator an, dannbeginnt der Knabe mit unüberhörbaren Hinweisen auf einen möglicherweise bald eintretenden Stimmbruch voller Konfrontationslust zu sprechen: »Gib es ihm wieder!«
    Wie konnte der Metzger auch nur annehmen, es ginge hier in Anbetracht seines schmerzenden Knöchels um einen Entschuldigungsversuch, um das Rollbrett geht es, mehr nicht. Unruhig steckt er eine Hand in seine Jacketttasche, sucht Halt, bewegt nervös seinen Wohnungsschlüssel durch die Finger und kommt zur Einsicht: Dass ein Fünfzehnjähriger einem über Vierzigjährigen das althergebrachte »Sie« verweigert, muss nicht zwangsweise als Hinweis auf die gut erhaltene Jugend dieses Vierzigjährigen aufgefasst werden.
    »Schaut toll aus, was ihr da so macht mit diesen Brettern!«
    Eine kleine Lüge an richtiger Stelle kann Wunder bewirken, nimmt der Metzger an und wird eines Besseren belehrt: »Bist du so ein Lustmolch, der sich an uns aufgeilt, sich volllaufen lässt und dann in einer dunkeln Gasse selber an die Hose geht, oder was?«
    Was tun? Das ist die Frage, die sich dem Willibald nun stellt, gefolgt von der Überlegung, wann er zuletzt mit einem Fünfzehnjährigen zu tun hatte. Nur seine eigene Schulzeit fällt ihm ein, seine eigene unfreiwillige Entfremdung von der Jugend fällt ihm auf, und sein mittlerweile aus der Sakkotasche herausgenommener Schlüssel fällt ihm hinunter.
    »Nervös?«, hört er nun von rechts außen, also Gabun oder Saint-Vincent, wobei bei diesem Jungen nicht nur die Haube, sondern auch die Haare grün sind.
    »Glaub mir, wenn du jetzt an meiner Stelle sitzen würdest, und vor dir stünden sieben kräftige Burschen,da wärst du auch nervös. Das ist keine Schande. Eine Schande wäre es, wenn ihr mir mit Absicht einen Schrecken einjagen wollt!«
    Und jetzt spricht endlich der Kleine, etwas Stärkere, dessen Stimme darauf hinweist, dass er vielleicht doch noch nicht ins Bett muss. Da hat der Stimmbruch also schon eifrig Spuren hinterlassen und bei näherer Betrachtung auch das Leben. »Vielleicht willst ja du uns einen Schrecken einjagen? Oder warum hockst du sonst da, mitten in der Nacht!«
    »Ich sitze da, weil ich jemanden suche. Er sieht in etwa so aus wie ihr, nur etwas kleiner, mit roter Wollmütze, blonden Haaren, großen Augen und treibt sich auch hier herum. Zumindest letzten Samstag!«
    Etwas Unruhe kommt auf, einige Burschen stecken die Köpfe zusammen, nur der Kleine vor ihm fixiert den Metzger unauf hörlich. »Warum

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