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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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das zu sagen, bist du mir also nach?«
    »Ich weiß was!«
    »Wer ist ich?«
    Es ist ein tiefer Blick, der schon viel zu sehen bekommen hat in diesem jungen Leben und der nun alles aus den Augen des Restaurators herauszulesen versucht.
    »Ich bin Sven, und Philipp ist wie mein Bruder. Wir wissen alles voneinander und passen aufeinander auf. Verstehst du. Er, er …« Sven legt eine kurze Gedankenpause ein. Nach einem tiefen Seufzer fährt er fort. »Erist am Sonntag alleine los, weil … weil … weil wir Streit hatten. Philipp hat Geld gebraucht, und ich wollte nicht mit. ›Ich schaff das auch allein, ist ja nicht das erste Mal!‹, hat er mich angebrüllt. Und weil wir so einen Streit nie lange durchziehen, hat er mich wie immer, wenn er allein unterwegs war, danach euphorisch angerufen: ›Ich hab’s geschafft. Ist aber nicht viel!‹ Dann hat er zu fluchen begonnen, und ich hab nur noch gehört: ›Scheiße, da passiert was!‹ Seither ist sein Handy abgedreht, über Internet antwortet er auch nicht, und am Festnetz hat man seine Mutter dran. Was bedeutet, Philipp ist für mich unerreichbar, denn die Alte kann mich nicht riechen. Ich sie auch nicht, obwohl mir so eine Mutter tausendmal lieber wäre als meine eigene, die kümmert sich wenigstens. Jedenfalls hat sie mir erklärt: ›Was mit Philipp ist, geht dich nichts an!‹, ja, und dann ist er verschwunden. Der hat einfach sein Handy nicht mehr aufgedreht, das ist doch nicht normal!«
    »Und da warst du nicht bei der Polizei!«
    »Bin ich wahnsinnig! Die Bullen können mir gestohlen bleiben. Die tun doch nichts für uns, für die sind wir Dreck!«
    Der Metzger ist entsetzt, irgendetwas ist passiert, irgendetwas Schwerwiegendes. Die Burschen haben Angst, und sie haben offenbar niemanden, dem sie sich anvertrauen können.

24
    M EHRMALS MUSS DER M ETZGER dann läuten, bis ihm endlich zögerlich die Tür zur Schulwartwohnung geöffnet wird. Dann kann sogar Edgar etwas lernen, denn durch und durch perfekt ist sie, die beschwichtigende Demutsgeste, mit der Danjela Djurkovic ihrem Rudel entgegentritt. Betreten blickt sie mit geneigtem Kopf zu Boden, kaut ein wenig auf ihren weit über den Rand bemalten Lippen, dann folgt ein unterwürfiger Augenkontakt: »Ach Willibald, hab ich wirklich überlegt Meuchelmord. Bitte bist du nix böse, weiß ich ja eh, war große Blödsinn. Hast du keine Ahnung, was passiert, wenn Weiberhirn verübt Anschlag auf Weiberherz. Da geht Logik auf Tauchgang. Ist wie will beweisen, dass eins und eins ist eins, verstehst du. Fühl ich mich hundsmiserabel. Aber sieht sie einfach aus so gut, Sophie. Nix wie Schwester!«
    »Danke für das Kompliment!«
    Lange dauert sie, die stille Umarmung im Vorzimmer, dann kommt, Hand in Hand mit dem inneren Frieden, der Appetit zurück. Immerhin hat sie die letzten Tage kaum einen Bissen hinuntergebracht, die Danjela: »Geb ich aus statt Friedenspfeife Mittagsmenü!«

    Selten zuvor hat der Metzger seine Danjela so ruhig erlebt wie dann im Anschluss, alle Sensoren hellwach. Schweigsam war sie vor allem deshalb, weil am Tisch im Grunde nur eine Person wirklich viel zu erzählen hatte: Sophie Widhalm.
    Ähnlich einem offenen Buch hat sie in sich lesen lassen und ihr Inneres ebenso freizügig serviert wie die spärlichbekleidete Kellnerin den von ihr bestellten Vogerlsalat auf Keferbohnen mit Hühnerstreifen, das Geselchte mit Sauerkraut der Danjela und die geröstete Leber mit Petersilienkartoffeln dem Willibald. Was den Metzger weitaus mehr faszinierte als die vorgetragene Lebensgeschichte seiner Halbschwester, war diese Inbrunst, mit der Danjela Djurkovic an jedem Wort hing, das da so offenherzig aus dem Mund Sophie Widhalms herauskam. Hinein ist ja ohnedies nichts gekommen, denn wenn jemand von vier servierten Hühnerstreifen bereits nach Verzehr der beiden kleineren Stücke und einiger läppischer Blätter Grünzeugs sein Besteck parallel und mit den Griffen nach rechts auf den Teller legt, weiß er alles, der Willibald. Kein Wunder, wenn man da zu hundert Prozent dem anorektischen Schönheitsideal einer Frau entspricht. Aber jagen gehen!, vernahm der Metzger den Aufschrei seiner inneren Stimme. Während die Djurkovic also dezent, aber doch zügig ihrem Geselchten zu Leibe rückte, brachte sie ihre Kunst des Zuhörens auf ein derart hohes Niveau, dass Sophie Widhalm den mittlerweile schlappen Feldsalat mit einigen salzigen Tränen nachmarinierte und meinte: »Jetzt hat mir der Himmel nicht nur einen

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