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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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nach dreimaligem Läuten ist es so weit, und er springt seinem Gelegenheitsherrchen winselnd vor Freude und Rettungssehnsucht die Beine hoch.
    »Also der Hund will mich sehen, das steht eindeutig fest!«, bemerkt Willibald Adrian Metzger, erkennt mit geübten Augen sofort: »Und raus muss er auch!«, nimmt ungefragt die neben der Tür hängende Leine und erklärt: »Dann lass ich euch mal alleine.«

    Wenn man bei einem Hund bis zum letzten Drücker wartet, erspart man einander jede Menge sinnloser Meter. Es unterliegt nämlich einem Irrtum zu glauben, dass so ein Viecherl, wenn es nicht wirklich dringend muss, in seiner städtischen Einzelhaft Freude daran hätte, auf den verdreckten Gehsteigen endlos herumzulatschen und seinem Herrli oder Frauli auf der Suche nach Sozialanschluss Gesellschaft zu leisten. Die Würste am Asphalt sind im mehrfachen Sinn ausschließlich Ergebnisse, die größter Not bedurften, Notdurft eben.
    So kommt es, dass Edgar nach einem äußerst schnell erzielten Ergebnis schnurstracks den Heimweg anpeilt und feststellen muss, dass der schwergewichtige Metzger ganz gegen sein Naturell in die Gegenrichtung marschiert. Ursache dieses überraschenden Bewegungsdrangs des Restaurators ist ein Spektakel, das am Endeder Hundewiese vor seinem ehemaligen humanistischen Gymnasium die Sonntagsruhe stört. Denn Schüler, die während der Woche bevorzugt ihren Schulen fernbleiben, hängen dann gern am Wochenende, wenn es ums Wollen geht, vor genau diesen Schulen herum, es müssen nicht einmal die eigenen sein – ist ja auch ein perfekter Treffpunkt, noch dazu, wenn so eine prächtige Stiege mit herrlich geschwungener Balustrade hinauf zum großen hölzernen Tor führt. Beinah die komplette föderierte Armee rollender Halbwüchsiger ist anwesend und stürzt sich auf ihren Brettern grölend das Geländer der Steintreppe hinunter, wahrscheinlich von der flüssig zugeführten Wahnvorstellung irregeleitet, fliegen zu können. Der Metzger kann und will zwar gar nicht hinsehen, allein die Geräuschkulisse verursacht ihm körperlichen Schmerz, dennoch ziehen sie ihn magnetisch an, die Fragen: Was ist los mit Philipp Konrad? Warum besucht mich dieser Oskar?
    Weil die Sturzgefahr bei solch lebensgefährlichen Manövern natürlich erheblich ist und so ein Halbwüchsiger durchaus Verantwortung kennt, besonders gegenüber seiner wertvollen technischen Gerätschaft, wird beim Sturzflug auf den obligaten Kopf hörer samt MP3-Player verzichtet, was dazu führt, dass dieses plötzlich hervorgestoßene krächzende »Wir bekommen Besuch!« auf allgemeines Gehör stößt.
    Ein von allen beachteter Zeigefinger streckt sich in Richtung des Restaurators, dann braucht der Metzger gar nicht mehr weiterzugehen, denn sie rückt ganz von selbst an, die Armada auf Gummirollen. Edgar beginnt energisch zu bellen. Es ist der kleine, untersetzte Anführer, der vom Brett springt, unbekümmert auf den Hundzugeht, ihn zu streicheln beginnt und dabei zum Metzger auf blickend mit ruhiger Stimmer erklärt: »Na, sind wir wieder ein bisserl Bubischauen?« Etwas Bedrohliches liegt in seinen Augen. »Wieder hier, um uns ein paar Lügen aufzutischen?«
    Unverkennbar sind die Burschen nicht aus reiner Wiedersehensfreude angerückt. Nur Oskar, der diesmal etwas im Hintergrund geblieben ist, hebt seine Hand, lächelt und neigt verträumt den Kopf zur Seite. Edgar ist einwandfrei außer Gefecht gesetzt, und dem Metzger bleibt nur noch die Wahl, winselnd um Gnade zu flehen oder mit wehenden Fahnen unterzugehen. Er entscheidet sich, ganz im Sinne der Kostümierung seiner Gegner, für die Flaggenlösung: »Erstens ist das alles andere als lustig, euch bei euren Selbstmordversuchen zuzusehen, zweitens könnt ihr mir glauben, ich lüg euch nicht an, sondern es wäre mir bedeutend lieber, Philipp würde jetzt hier stehen, und drittens, was habt denn ihr Helden bisher unternommen, um herauszufinden, wo er sich aufhält? Soviel ich weiß, ist er mittlerweile nicht nur krank, sondern auch verschwunden, oder?«
    Da schauen sie jetzt, die Burschen: »Was bist du, ein Bulle, woher kennst du plötzlich seinen Namen?«
    Dem Metzger ist völlig klar, dass er Oskar hier rauszuhalten hat, was ihn zur alternativen, im Grunde gar nicht gelogenen Antwort veranlasst: »Nein, ich bin kein Bulle, aber ich werd das Gefühl nicht los, dass da etwas nicht stimmt, folglich hab ich ein paar alte Kontakte aufgefrischt.«
    Deutlich steht nun den Knaben die Verunsicherung im

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