Der Metzger holt den Teufel
Gesicht. »Kontakte! Mit den Bullen wollen wir nichts zu tun haben!«
Oskar im Hintergrund hat leise zu summen begonnen.
»Und warum wollt ihr mit denen nichts zu tun haben? Als ich euch erzählt hab, Philipp hätte mir mein Geld zurückgegeben, habt ihr mich Lügner geschimpft und seid auf und davon, was doch heißt: Philipp war es nicht, der mir mein Portemonnaie gebracht hat. Eines weiß ich aber mit Sicherheit, gestohlen hat er es. Philipp hat mir von seinem Skateboard aus mein Sakko aus der Hand gerissen, das steht fest. Wie kommt es dann zu mir zurück, wenn nicht durch ihn, habt ihr da eine Idee? Und warum, meine Herren, habt ihr Angst vor der Polizei, macht ihr so etwas auch?«
Das Schweigen spricht für sich. Was hat er auch erwartet, der Metzger. Mit seinem Hunderl, seinem biederen Äußeren und seiner behäbigen körperlichen Statur ist er nicht gerade der geeignete Kandidat für etwaige Verbrüderungen mit Halbstarken. Genau die rücken nun langsam näher, und dem Metzger ist es ein Rätsel: Wieder sind Mobiltelefone auf ihn gerichtet. Wollen sie ihn entmaterialisieren, einen unsichtbaren Stempel verpassen, sind diese Geräte gefährlich?
Einer faucht: »Was wir machen, geht dich nichts an!«, ein anderer zischt: »Auf was warten wir?«
Oskars Augen zwinkern nervös, sein Kopf ist zur Seite geneigt, er lächelt nicht mehr, Edgars Schwanz wedelt nicht mehr, und der Metzger weiß nicht mehr weiter. Was nötigt die Burschen, ihm hier am helllichten Tag zu Leibe zu rücken? Ist es ein Ausdruck ihrer Angst, ist es ihre große Sorge um den verschollenen Freund, ist es ein Hilferuf?, sinniert der Metzger, legt selbst kurz die mögliche Option eines derartigen Notrufs auf die Waagschale und erhält völlig unvermutet einen Schnellsiederkurs,wie so ein Alarmsignal am effizientesten zu klingen hat.
Schrill ist der Schrei, da müssen sich diverse Einfachverglasungen krampf haft an ihre Rahmen klammern, und prompt die Reaktion: Beinah gleichzeitig springen die Burschen von ihren Holzbrettern und bilden einen schützenden Kreis, in dessen Mittelpunkt, mit hochrotem Kopf, Oskar steht. Beide Hände an seine Ohren gepresst, die Augen fest zusammengekniffen, den Kopf zum Himmel gewandt, brüllt er sich die Kehle aus dem Leib.
Es ist Bennie, der als Erster auf ihn zugeht, auf ihn einredet und behutsam beide Hände auf die seinen legt: »Alles gut, Oskar, es ist alles gut!«
Genauso abrupt, wie der Schrei eingesetzt hat, hört er wieder auf. Die Arme hat er heruntergenommen, die Augen geöffnet, nur das hochrote Gesicht und der zum Himmel gerichtete Blick sind geblieben. Dann hebt sich erneut eine Hand und deutet aufwärts in die Krone eines der vereinzelt am Wegesrand stehenden Bäume. Es sind sehr ruhige Töne, die Oskar nun von sich gibt: »Kastanie: Geburtstag 15. bis 24. Mai, 12. bis 21. November. Reagiert sensibel auf Frost, braucht mildes Klima. Fröhlicher, diplomatischer Charakter. Sehr verlässlich, selbstkritisch. Kastanienmensch, Familienmensch, glückliche Mischung. Guter Baum. Schön.«
Kurz danach senkt sich sein Blick, sucht die Augen des Restaurators, findet sie, und genau in diesem Moment kommt es wieder zurück, das Lächeln. Vielleicht täuscht er sich, der Metzger, aber aus diesem Ausdruck an Zufriedenheit ist nun doch so etwas wie Verbrüderung herauszulesen.
Diesen friedlichen Moment und die entschärfte Situation muss er ausnutzen: »Bitte hört mir zu. Ich weiß nicht, was los ist, aber irgendwas stimmt nicht, da bin ich mir sicher! Es muss euch doch klar sein, dass ihr Philipp mit eurem Schweigen keinen guten Dienst erweist. Stellt euch vor, euch passiert so etwas wie vielleicht ihm. Wollt ihr dann Freunde, die euch im Stich lassen und nicht alles tun, um zu helfen? Ich nicht! Wisst ihr was? Damit ihr mir vertraut …«, der Metzger zückt seine Geldbörse und zieht eine Visitenkarte mit der Werkstattanschrift heraus, »… das bin ich. Da stehen meine Kontaktdaten drauf. Ich verspreche, ich verpfeif euch nicht. Aber um Himmels willen, wenn ihr etwas wisst, das helfen könnte, sagt es! Und jetzt geh ich.«
Ungerührt wirft der Metzger eine Visitenkarte auf den Weg, nimmt Edgar in die Arme, schmunzelt Oskar zu und dreht sich um. Er ist schon beinah hinter der Ecke verschwunden, da hört er ein: »Warte!«
Ein Skateboard rattert über den Gehsteig, ein wenig dauert es, dann steht der Anführer abermals vor ihm, diesmal allein.
»Wenn du uns bescheißt, mach ich dich kalt!«
»Um mir
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