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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Bach, der Metzger, dennoch registriert er mit Grauen die Verachtung in den Gesichtszügen der Wortführer, im Besondern eines gewissen Rupert, das beschämte Gesicht Clarissa von Hohenrieds, das zustimmende Kopfgenicke der einen, das betretene Schweigen der anderen, und einmal mehr wird ihm klar: Faschismus wächst nicht von unten nach oben, er wächst von oben nach unten. Er ist keine dem Volk entsprungene Strömung, er stammt aus den Köpfen der vermeintlich Gebildeten des Landes, denen es aufgrund ihrer Vernetzungen und ihrer Macht möglich ist, etwas ihnen Widerstrebendes, etwas sie Gefährdendes eines Tages mir nichts, dir nichts hochoffiziell für gefährlich zu erklären und verschwinden zu lassen.
    Verschwinden ist auch genau das, was der Metzger jetzt will. Da braucht er gar nicht lange zu warten, denn Eugen von Mühlbach erhebt das Wort: »Ich hab euch ja noch gar nicht vorgestellt. Also, lieber Rupert, das ist Sophie Widhalm, liebe Sophie, das ist Rupert von Leugendorf!« Willibald Adrian Metzger hat sich also trotz seiner Anwesenheit für die anderen in Luft aufgelöst.
    »Oh, ein Leugendorf!«, entgegnet Sophie Widhalm mit ernstem Blick: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man immer!« Ob der Größe seines Vaters fühlt er sich klarerweise geschmeichelt, der grinsende Adelssprössling,woher soll er auch wissen, dass Sophie Widhalm in ihrer Funktion als Unternehmensberaterin über die durchaus zwielichtigen Unternehmungen der Familie Leugendorf bestens im Bilde ist. Da haben sich genau die Richtigen zu einer brüderlichen Symbiose zusammengeschlossen!, beurteilt der Metzger sorgenvoll die beiden nun mit Sophie befassten Herren.
    Eine erlösende Überraschung ist es dann, was ihm wenig später zu Gehör gebracht wird. Denn trotz merklicher emotionaler Verquickungen erhebt sich seine Halbschwester, erklärt, sie müsse jetzt auf brechen, verteilt Küsschen da und Visitenkärtchen dort, erntet haufenweise Verabschiedungs- und Wiedersehenswünsche und schnappt sich den verdattert dreinschauenden übergewichtigen Herrn an ihrer Seite. Für diese großherzige Rettungsaktion soll sie in Gottes Namen jagen gehen!, denkt er sich dankbar, der Willibald.
    Kurze Zeit später erklärt eine erleichterte Frauenstimme: »Na, das ist ein widerlicher Schnöselhaufen!« und eine mittlerweile bekannte männliche Stimme: »Nehmen Sie die Ausfahrt. Dann bleiben Sie links.«
    Um zu vermeiden, dass Sophie Widhalm so weit nach rechts abdriftet, dass ihr die Zugehörigkeit zu dieser Truppe sicher wäre, braucht es kein Navigationsgerät. Ihrer Sehnsucht nach einem gestandenen, gut situierten Mannsbild würde eine kleine Kurskorrektur trotzdem nicht schaden.

23
    »D JURKOVIC .«
    »Na, wenigstens hebst du ab. Wir sind in ein paar Minuten bei dir, und wehe, du bist nicht da!«
    Ja, auch der Metzger kann einfach auf legen.
    Es ist elf Uhr, Edgar war noch nicht draußen, und jetzt das!
    Nach einer Horrornacht, in der ihr die ohnedies längst im Hintergrund schimmernde Klarheit über ihr denkbar dämliches Verhalten allmählich mit unübersehbarer Tiefenschärfe ins Bild gerückt ist, spürt sie eine Nervosität, dagegen war ihr Vermählungsakt zwecks Bleiberecht mit dem Schulwart Johann Djurkovic wie ein Durchlauf Stadt-Land-Fluss mit dem Buchstaben  E. Was soll sie ihrem Willibald erklären, und warum sagt er »wir«? Bringt er die Drecksschlampe, wie die gute Freundin Trixi Matuschek-Pospischill diese junge Dame zu bezeichnen pflegt, gleich mit?
    Edgar beginnt zu melden, der Hund sollte hinaus, schleunigst.
    Ungeachtet dieses Hinweises beginnt Danjela Djurkovic fieberhaft herumzuräumen, geht beim Vorzimmerspiegel vorbei, wirft einen Blick hinein und erstarrt: der Besuch der alten Dame. Wie schlecht sie aussieht, ungepflegt, fettige Haare, Augenringe, Sorgenfalten, eine blasse Haut und dieses Doppelkinn, alles völlig gegensätzlich zu jener Person, die das altvertraute »Ich« ihres Willibald in dieses sonderbare »Wir« verwandelt hat! Und weil eine Frau spätestens ab Kindergarteneintritt über einen Malkasten verfügt, nimmt die Djurkovic den ihr zugeworfenenFehdehandschuh auf und greift zum Pinsel. Hektisch wird der Schminkkoffer ausgeräumt. Das kann sie leider ganz schlecht, die Danjela, zeichnen, basteln und formen.
    Der Verwandlung einer optisch Todkranken zur farbenfrohen, erstmals geschminkten Sechzehnjährigen kommt einzig der schrille Klingelton aus dem Vorzimmer dazwischen. Edgar kläfft nun erst recht,

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