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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Bruder, sondern auch noch eine Schwester geschickt!« Die hohe Kunst des Zuhörens besteht eben nicht allein aus stummem Kopfgenicke, sondern auch darin, das eigene aufmerksame Schweigen gekonnt mit einigen unverfänglichen, allgemeingültigen Sätzchen zu verfeinern, was im Fall der Danjela, dank Studium ihres Ratgebers, zu folgenden immer paarweise auftretenden Ergebnissen führte:
    – »Kann ich gut verstehen, is wirklich nix leicht« und »Jaja, gibt in alles, was passiert, Sinn«.
    – »Packt man immer mehr ein, als was braucht man auf Reise!« und »Is besser, lasst du hinter dir, was kannst du nicht nehmen mit«.
    – »Dauert nix ewig, Regen« und »Wenn du glaubst, geht nix mehr, kommt Licht«.
    Dem Metzger ist da natürlich ein »daher« auf der Zunge gelegen, direkt neben dem letzten Stück Leber. So hat er sich’s also verbissen.
    Genauso wie:
    – die Bemerkung, dass er sich schon gefreut hätte, wenn seine Herzensdame mit der Umsetzung ihrer Weisheiten bei ihm angefangen hätte, zuhören allein wäre da schon völlig genug gewesen;
    – das Aussprechen eines an seine Halbschwester gerichteten »Wann sehen wir uns wieder?«; haben sich ja ohnedies die Damen in naher Zukunft einen herrenlosen Abend ausgemacht.
    Entsprechend herzlich fiel die Verabschiedung der beiden aus. Da wurde umarmt, als kenne man sich mit gerötetem Oberschenkel seit der ersten Sechsfachschutzimpfung beim Kinderarzt, geküsst, als wäre man die auserwählte Trauzeugin, und selbstverständlich Datenmaterial ausgetauscht, den Metzger hätte es nicht gewundert, wären sie dabei gewesen, die Sozialversicherungsnummern.
    Die Schlussworte seiner Danjela lauteten: »Geb ich dir gute Buch für schwere Zeit!« Die Schlussworte seiner Halbschwester kannte er dann schon: »Mobil bin ich immer erreichbar. Und mit immer meine ich auch immer, außer natürlich, es gibt kein Netz!«
    Dann lief endlich wieder fast alles in geordneten Bahnen. Bis auf eine Ausnahme, denn überraschenderweise hat sich der Metzger zu der Bemerkung hinreißen lassen:»Rückblickend betrachtet, erstaunt es mich schon, was mir Madame Djurkovic alles zutraut und auf welche absurden Gedanken sie so kommt: Ich denke, man darf dich nicht so viel allein lassen!«
    Welch eine Sternschnuppe am Horizont der weiblichen Sehnsüchte. Dabei weiß sie noch gar nicht, welche Bestellung ihr Willibald morgen mit Angabe der Lieferadresse bereits im Vorhinein bezahlen wird.
    Es folgt ein Abend in trauter Zweisamkeit, und wie sich der Metzger zu später Stunde aus reinster, ja bewusst liebevoll sadistischer Absicht auf die Heimreise begibt, fällt ihm dieser Weg nach Hause richtig schwer.

    Einen Tag lang hockt Eduard Pospischill also ganz allein in seinem Ausweichquartier, und das tut der gemarterten Seele gar nicht gut. Welches Mannsbild denkt schon gern nach über sich und die Welt. Schlecht war ihm ja schon oft, diese seelische Übelkeit jedoch ist ihm neu.
    Früher als sonst gönnt er sich an diesem Sonntag seinen Dienstschluss, als wüsste er, was kommt, als hätte er eine Ahnung, wie sehr er seine Kräfte noch benötigen wird. Gemütlich ist es beim Metzger, ordentlich und gepflegt, jedes Möbelstück hat seine Geschichte, nichts in dieser Wohnung verbreitet Unruhe. Was leider auch das Fehlen der nun nötigen Ablenkung bedeutet. Wenn der Unterkunftgeber keinen Fernseher besitzt, was soll man da bitte auf sich allein gestellt anderes machen, als zeitig schlafen zu gehen. Und schlafen kann er, der Pospischill, überall, jederzeit und völlig unempfindlich gegenüber Außeneinflüssen – dank seiner Gehörstöpsel. Da schlummert es sich hervorragend, selbst bei heftigem Geklingel, Gepolter und Geschrei.
    So kommt es, dass zu vorgerückter Stunde ein erschöpfter Restaurator unruhig vor seiner eigenen Wohnungstür steht. Ja, steht! Denn wenn der Schlüssel, den Eduard Pospischill nun endlich bekommen hat, innen steckt, wenn das Vorhängeschloss ordnungsgemäß eingehängt und die Tür zwischen Vor- und Wohnzimmer ebenso wie die müden Augen am Chesterfieldsofa geschlossen wurden, dann gibt es maximal im Stiegenhaus ein Weiterkommen. Da hilft nur das Auffangnetz wahrer Freundschaft.
    »Pst!«
    Hausmeister Petar Wollnar hat sich im Pyjama die Treppen von seiner Parterrewohnung hinauf in den letzten Stock geschleppt und legt besorgt seinen Zeigefinger an die Lippen. Für dieses Wohnhaus fühlt er sich einfach verantwortlich, und dazu gehört unter anderem die Einhaltung einer gewissen

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