Der Metzger holt den Teufel
soll ich machen! Ein begnadeter Geiger ist das, dieser Kerl, lässt sich aber völlig gehen. Verschwendetes Talent. Aber er hat’s natürlich auch nicht leicht. Das ist kein Vergnügen, immer wieder vom eigenen Vater hören zu müssen: ›Der so junge Karl-Heinz ist im Gespräch für einen Regierungsposten, stell dir vor. Der Richard von den Weinfrieds hat gerade zum zweiten Mal promoviert, ja, und der Klaus-Severinvon den Ludwigs absolvierte kürzlich höchst erfolgreich seine Richterprüfung!‹ Trotzdem, Unterstützung hatte er genug bekommen. Und jetzt sagen Sie mir, Herr Metzger, gibt es eine größere Sünde, als seine Begabungen schleifen zu lassen!«
Schleifen lassen!, denkt sich in diesem Zusammenhang Petar Wollnar und hat weniger die Möbel in seinem Pritschenwagen vor Augen als den Zahnarzt seiner Frau. Er mag sie einfach nicht, die Menschen, die glauben, mit Geld alles bekommen zu können, sogar die Frauen und Kinder anderer. Er mag sie einfach nicht.
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»D IE HABEN EINEN S AUSTALL beisammen, pfui, pfui, pfui!«, das weiß Eduard Pospischill mittlerweile. Was die Orchesterfront bisher an Informationen ans Tageslicht befördert hat, verdirbt einem langfristig jeden klassischen Musikgenuss. Von wegen hohes Niveau, Anstand und Sitte. Sicher, es gehört schon einiges dazu, ein Instrument wirklich zu beherrschen, aber üben muss ein Leistungssportler auch. Beharrlich vertritt der Kommissar die Ansicht, dass beispielsweise ein Bahnradfahrer, nur weil er scheinbar wie vertrottelt im Kreis fährt, noch lang kein größerer Idiot sein muss als jemand, der tagtäglich seine Etüden herunterträllert.
Wenn man bei so manchem der Orchestermitglieder von der gepflegten Sprache absieht, bleibt ein Niveau über, da wird jeder Gemeindebau, jede Plattenbausiedlungzum Regierungsviertel: Endlosschleifen der kleinen Nachtmusik à la ständige Bordellbesuche, permanente Grabenkämpfe innerhalb der eigenen Reihe, wahrscheinlich heißt es deshalb Orchestergraben, Dauersaisonkarten in Spielkasinos, Fettabsaugungsorgien vor größeren Konzertreisen, man will sich ja vor manch weiblichem japanischen Fan eine ansehnliche Blöße geben, und, und, und. Der Pospischill könnte ein Liste veröffentlichen, da würde selbst der treueste Dauerabonnent seine Karten nicht einmal mehr verschenken.
Die Ermittlungen, also die Suche nach dem Frauenmörder, laufen auf Hochtouren, was nichts anderes bedeutet, als einen scheinbar aussichtslosen Kampf an vielen Fronten zu führen: im beruf lichen Umfeld der Opfer und der vermissten Käthe Henrikshausen, also im Orchester, und im privaten Umfeld der drei Damen, was auch das Mühlbach-Sommerfest einschließt.
Da sind dann natürlich weiterführende Hinweise Gold wert:
Es gibt also, oder eigentlich gibt es sie ja nicht, eine Pyrotechnikerin namens Antonia Lenz, Mitte dreißig, die dem Metzger kurz nach dem Schuss, dem Schrei und dem Cellokonzert im Wald über den Weg gelaufen ist, die in Wahrheit eine andere sein muss, auf jeden Fall groß, schlank, üppig geschminkt, mit auffälligem Muttermal auf der rechten Wange, schmaler Nase, Bubikopf und extravaganter Brille. Wobei eine Alterseinschätzung bei Nacht und weiblichem Vollanstrich ebenso verlässlich ist wie der Sündenfall Adams und das geozentrische Weltbild.
Und es gibt zwei tote Musikerinnen des Orchesters, Töchter einflussreicher Familien, die mehr oder wenigerbeide zum Bekanntenkreis des Herrn Mühlbach zählten. All das weiß man, weil Willibald Adrian Metzger zusammen mit Herbert Homolka im Nebenraum sitzt.
Herbert Homolka darf nicht verhören, aber er darf zuhören, und er darf ein wenig herumspielen, bevorzugt am Computer. Blöd ist sie ja nicht, die Menschheit samt ihrem genetischen Adaptionsverhalten. Während die Welt aus allen Nähten platzt, reduziert der Mensch seine Bedürfnisse auf ein Zwei-Quadratmeter-Umfeld, aus dem heraus er mittlerweile beinah alles bewerkstelligen kann.
Flinke Finger huschen über die Tasten, der Metzger kommt da kaum mit und folglich aus dem Staunen gar nicht heraus. Mit der Maus in der Hand des Kriminalbeamten verwandelt sich das, was dem Willibald an vagen Beschreibungen über die Lippen kommt, in Windeseile zu einem beinah lebendigen Ganzen. Unheimlich ist das.
»So, da hätten wir unser Phantombild!«, gibt Herbert Homolka stolz von sich, auch wenn das, was dem Metzger da vom Bildschirm entgegenlacht, mit Antonia Lenz maximal den Bubikopf, das Muttermal, die Brillenfassung und die braunen
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