Der Metzger holt den Teufel
Dreck gefälligst selbst!«
Während nun ein Kunde in Lebensmittel-, Textil- oder Möbelgroßmärkten zur Förderung seines sorgenfreien Konsumverhaltens mit einem dermaßen wirkungsvollen Fühlen-Sie-sich-frei-und-unbeschwert-Klangteppich eingelullt wird, dass Durchsagen wie: »Der kleine Michi sucht seine Mama, bitte melden Sie sich bei Kassa 4!« keine Seltenheit sind, herrscht in einem Baumarkt akustische Nüchternheit. Nur das Surren der Gabelstapler, das Plätschern der Springbrunnen im Bereich »Garten und Freizeit« und der Geräuschpegel bei den Testgeräten der Werkzeugabteilung sorgen für ein angemessenes Ambiente. Geredet wird hingegen nicht viel. Der Begriff »Beratung« beschränkt sich auf Aussagen wie: »Ameisenfallen finden Sie im Gang 23, Regal 7, Rasendünger im Gang 17!« Da stehen sie dann, die zig verschiedenen Modelle von »Wenn Sie’s schlucken, sind Sie tot!« bis »Das können’s Ihrem Katzerl ins Futter mischen!«. Und weil einem genau das dann keiner mehr sagt, liegen neben den Ameisenfallen gelegentlich nicht nur die Ameisen.
Schweigsam spaziert der Metzger durch die Regallandschaft, beobachtet die auffällig wenigen Angestellten beim Schlichten, Ordnen und Ignorieren der Kunden, streift durch die Abteilungen Elektrik, Sanitär, Holz, Werkzeug, Auto & Rad hinaus ins Freie und landet schließlich in der Gartenabteilung.
Die Gartenabteilung eines Baumarktes zeigt die Qualität seiner Geschäftsführung und folglich das Engagement seiner Angestellten. Pflanzen lügen nicht, und diese laschen Kräuter, trockenen Blumen und armseligen Büsche und Bäume, die den Willibald nun umgeben, sprechen eine unmissverständliche Sprache. Am liebsten würde er sich den nächstbesten Schlauch schnappen, der Willibald, und zu spritzen beginnen.
Nur, gespritzt wird schon!
Zwischen den dichten, mannshohen Zypressen steht Rupert von Leugendorf. Mit großer Aufmerksamkeit ist sein gesenkter Kopf auf seinen gezückten kleinen Taktstock gerichtet, der mit einem gezielten Strahl die Pflänzchen bewässert. Wenn sich diverse schwache männliche Blasen Hilfe suchend auf einem Baumarktparkplatz einbremsen, in drängender Vorfreude die Glasschiebetür durchschreiten und dann vor verschlossenen Toilettentüren stehen, kann sich das also auf die Verfassung der Pflanzen einer Gartenabteilung recht traurig auswirken. Um derart zwischen die Zypressen auszutreten, bedarf es aber schon einer erheblichen Not beziehungsweise Alkoholisierung.
Willibald Adrian Metzger ist aus Sicherheitsgründen in den nächsten Gang zwischen die Thujen getreten und wartet wie gebannt, was als Nächstes passiert. Lange muss er da nicht warten. Denn als ob nichts gewesen wäre, torkeltRupert von Leugendorf aus der Schneise heraus und steuert gemächlich dem Ausgang zu.
In der Abteilung »Auto & Rad« wird aus einem Regal eine Plastikpackung mit einer darin eingeschweißten Halogenglühbirne genommen, dabei hebt er kurz den Kopf, dreht sich um und schaut dem Metzger frontal ins Gesicht. Und während dem Restaurator der Schweiß ausbricht, tut sich im Kopf des Pflanzengießers nichts. Was ist von einem selbstherrlichen Hirn auch anderes zu erwarten, als dass es keine graue Zelle für ein ebenso graues, zufällig am selben Tisch hockendes Mäuslein übrighätte? Und gut ist das.
In der Elektrikabteilung verschwindet eine kleine Taschenlampe, die zuvor vom Alarm auslösenden Magnetstreifen befreit wurde, im perfekt geschnittenen schwarzen Sakko des Adligen. Einen Gang weiter verlassen still und heimlich zwei 1,5V-Alkalibatterien die schützende Gemeinschaft ihrer Großpackung und gesellen sich zum Lichtspender. Bei den Kassen, wo ein angestellter Kunde hoffentlich so lange in der Schlange stehen bleiben soll, bis der dort feilgebotene Billigramsch die Metamorphose zum preisgünstigen Superschnäppchen vollzogen und es in den Einkaufswagen geschafft hat, rutscht gemeinsam mit einem schwarzen Stanleymesser noch ein Schokoriegel in den Hosensack. In Gegenwart der jungen Dame an der Scannerkassa wird mit kokettem Lächeln und den bemüht alkoholfrei gesprochenen Worten: »Das ist alles, hübsches Fräulein!« der für die Halogenglühbirne fällige Betrag übergeben. Dann folgt ein beschwingtes An-die-frische-Luft-Treten.
Willibald Adrian Metzger ist eher die Luft weggeblieben, denn mit ziemlicher Sicherheit hatte er währendseiner Beschattungstätigkeit mehr Muffensausen als der Beschattete beim Durchschreiten der Kassa selbst. Ein
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