Der Metzger holt den Teufel
Sorge, all ihre Hindernisseüberwindet und sich hierhermüht, gibt diesem Akt eine noch viel ernster zu nehmende Glaubwürdigkeit. Dieser Geschichte muss sich ein Computerfachmann annehmen.
Sandra Kainz wird von zwei Beamten zurück in ihre Wohnung geleitet, das gesamte Material an Herbert Homolka gemailt und Irene Moritz immer unruhiger. Lange dauert es dann nicht, und sie sitzt vor dem entsprechenden Posteingang.
»Also, Homolka, was haben wir hier? Die Ankündigung der Morde aus der Hand des Täters?«
»Möglich wäre alles. Das Web bietet nicht nur Zugriff auf jede mögliche Information, es ist das Kommunikationsmedium Nummer eins geworden und so die Spielwiese aller Einsamen, Verzweifelten und Spinner! Morddrohungen stehen oft wochenlang im Internet, und keiner reagiert! Was kein Wunder ist, denn hier vermischen sich Realität und Fiktion. Wer ist wer im Netz? Nichts ist leichter, als in fremde Identitäten zu schlüpfen, wie man an diesen Namen hier sieht«, stellt Herbert Homolka fest.
Irene Moritz liest vor: »schwarz_auf_weiß, Silikonprophet, Bungee11, Wotan7, Kammerton … Nur ehrlich gesagt, Homolka, ich würde auch nie meinen richtigen Namen irgendwo angeben. Kann man trotzdem herausfinden, wer da dahintersteckt?«
»Kann man, nur dazu hab ich hier nicht die Mittel, das braucht etwas Zeit und wahrscheinlich Spezialisten!«
48
S IE WOLLTEN ES SO , seine Eltern wollten es so, seine Mutter wollte es so, sein Vater, später wieder seine Mutter samt ihren Männern, und dann wollte auch er es, zumindest aus einem inneren Entschluss heraus: »Geh doch hinaus zum Spielen mit deinen beiden Freunden!«
Als seine Schwester eines Tages aus dem Wald zurückkam, war sie völlig verändert, in sich gekehrt, geweint hat sie in der Nacht, und nichts hat sie ihm erzählt, trotz seiner Fragen und Fürsorge. Seine Eltern waren nicht nur taub für ihr Leid, sondern auch blind für das Offensichtliche. Dann kam der Tag, an dem seine Schwester über das, was passiert war, gar nicht mehr hätte reden müssen. Schließlich bedurfte es keiner Worte mehr, er selbst bekam die Antworten am eigenen Leib zu spüren.
Wozu brauchen zwei wirklich dicke Freunde, zwei echte Kerle, einen Dritten, weitaus Jüngeren, Schwächeren, außer um mit ihm zu spielen? Und dieses Spielen hat er nie wieder vergessen. Mit einem Schlag wurde ihm damals klar, warum er als Zwilling nun allein war, warum sein zweites Ich eines Tages den Mut zum Leben verloren hatte: »Was bist du für ein Weichei, ein Mädchen bist du, so wie deine Schwester. Soll ich dir zeigen, was man mit einem Mädchen anstellt, ja, sollen wir dir das zeigen?«, hat der Ältere mit einem abgebrochenen Ast in der Hand erklärt, während der Jüngere nur tatenlos zugesehen und später immerhin um Einhalt gebeten hat. Genau deshalb lässt er ihn auch jetzt zuerst nur zusehen.
Bei dreien ist eben immer einer allein – ganz allein.
Lang genug hat er auf den richtigen Moment gewartet. Um Geschichte zu schreiben, muss der Zeitpunkt stimmen.
»Wir werden uns wiedersehen!«, so haben sich die beiden Blutsbrüder stets verabschiedet. Und da hatten sie recht: Sie werden ihn wiedersehen, beide, denn jetzt spielt er mit ihnen. Sie werden ihn nur nicht mehr erkennen.
49
E S BENÖTIGT NUR EINE EINZIGE Information, und Irene Moritz’ Zorn darf endlich wüten. Kein Erbarmen, das hat sie sich geschworen, und wenn sich die Gelegenheit böte, würde ihr ihre Pistole, die sie so zärtlich »mein Mädchen« zu nennen pflegt, ziemlich locker im Halfter sitzen.
Wie es das Schicksal so will, erzählt sie an diesem Abend am Krankenbett der Witwe ihres ehemaligen Chefs: »Frau Pospischill, wir haben ihn bald, und dann wird es Gerechtigkeit geben!«
Irene Moritz müsste allerdings auf diesen so wichtigen Teil ihrer Trauerarbeit noch etwas länger warten, käme in diesem Moment nicht zufällig der Metzger bei der Tür herein.
»Was heißt, wir haben ihn bald!«, will er natürlich wissen.
Überschäumend vor Tatendrang, wird ihm also die ganze Sandra-Kainz-Geschichte unterbreitet, an deren Ende Irene Moritz erklärt: »Und es ist garantiert ein Musiker.«
»Wieso wissen Sie das so sicher?«
»Wegen seiner Bezeichnung. Wer sonst sucht sich schon so einen Namen aus: Kammerton!«
Da muss er jetzt natürlich schlucken, der Willibald, und der Musiklehrer Professor Greiner hätte seine Freude: »Na, da wüsste ich schon wen! Einer, der nebenbei auch gerne Stanleymesser mitgehen lässt!«
Es folgt
Weitere Kostenlose Bücher