Der Metzger holt den Teufel
perfekt ausgelegt hätte, man wäre ganz von selbst auf die Lösung gestoßen. Eigentlich könnte er feiern, alles ist so, wie er es wollte, und doch, es lässt ihn nicht los, dieses ungute Gefühl.
Dass Rupert von Leugendorfs Verhaftung keine Menschenseele hervorlocken würde, um ihm ein Alibi zu liefern, war zu erwarten. Trotzdem hatte er im Vorfeld dafür gesorgt, ihn zu den entscheidenden Zeiten allein zu wissen. Ein arbeitsloser Künstler springt auf, wenn es um mögliche große Engagements geht, nimmt viel auf sich, fährt überall hin, zu den absurdesten Treffpunkten, bleibt freundlich, wenn er irgendwo warten muss, wenn er vor Ort plötzlich von einem Anrufer erfährt, der Termin müsse leider verschobenwerden. So etwas funktioniert an sich immer wieder und wieder. Das letzte Mal aber ist er nicht gekommen. Etwas anderes war ihm wichtiger.
53
»R UFEN S IE MICH AN , wenn Ihnen noch etwas einfällt, aber umgehend!«, waren die Worte, die Irene Moritz dem Metzger im Spital aufgetragen hatte. Auftragen kann dann folglich auch die Djurkovic, und zwar reichlich, denn lange dauert es nicht, und das Chesterfieldsofa ist voll besetzt. Willibald Adrian Metzger, Sophie Widhalm, Gerhard Kogler und Irene Moritz, das geht sich aus.
Und genau auf so etwas hat Irene Moritz insgeheim gehofft: dass dieser quälende, seit Tagen schlafraubende Gedanke »Leugendorf muss es nicht gewesen sein!« endlich auch real begründbar wird. Obwohl sie selten zuvor einen größeren Widerling kennengelernt hat und selten zuvor derart nahe dran war, völlig unbedacht ihr Mädchen um eine Kugel zu erleichtern, zweifelt sie insgeheim doch an seiner Schuld. Die Frage stellt sich nämlich schon: Ist diese penetrante Auf lehnung authentisch oder Kalkül? Was treibt einen Verbrecher dazu, zwar die Misshandlungen einzugestehen, aber trotz einer Liste erdrückender Beweise nichts anderes zu behaupten als: »Die Morde hab ich nicht begangen, und warum ist Eugen von Mühlbach immer noch auf freiem Fuß?«
Reicht die Arroganz eines derart ekelerregenden Emporkömmlings, emporgekommen nur aufgrund des ihmgegebenen Geburtsloses, tatsächlich so weit, um selbst im Wissen um seine Taten und in Anbetracht einer an sich unausweichlichen Situation immer noch auf die Bestechlichkeit der Justiz zu hoffen?
Und dann wäre da noch die von Herbert Homolka aufgebrachte und durchaus berechtigte Frage: Warum kündigt ein Mörder im Internet seine Taten an und streitet sie dann ab?
Irene Moritz weiß es nicht, sie weiß nur eines: Ein Fehler darf ihr allein schon zu Ehren Eduard Pospischills bei dieser Angelegenheit nicht unterlaufen.
Dieses »Leugendorf muss es nicht gewesen sein!« am anderen Ende der Leitung kam ihr also gerade recht.
»Nicht am Telefon!«, gab sie zur Antwort und: »Fahren wir!« Dass Gerhard Kogler bereits entspannt auf der Couch lag, spielte dabei keine Rolle.
Jetzt hockt er mit einem Bärenhunger neben ihr auf dem Chesterfieldsofa, und die Djurkovic hat also reichlich was aufzutragen: »Stört arg, wenn geb ich in Nudelsalat ein bisserl Zwiebel und Knoblauch? Ist gut für Nerven!«
Und froh ist sie darüber, die zukünftige Frau Hauptkommissar, denn alles, was ihr da zu Ohren kommt, klingt besorgniserregend einleuchtend, auch das mit dem Knoblauch, denn Nerven wird sie noch brauchen.
So oft kann man nach einer derartigen Ladung an Gewürz- und Heilpflanzen aus der Familie der Lauchgewächse gar nicht Zähne putzen beziehungsweise duschen gehen, dass deren antibakterielle Wirkung nicht selbst vierundzwanzig Stunden später noch zur Geltung käme, zu nahe kommt einem nämlich keiner. Besonderswenn der betroffene Leib auch ordentlich ins Schwitzen gerät.
Dazu braucht der Metzger am nächsten Morgen erst gar nicht in die Werkstatt zu marschieren, es genügt vollauf, dem guten Rat seiner Herzensdame trotzend, in der Gärtnerei Seipold anzurufen.
»Kannst du ruhig loslassen« und »Musst du ein bisserl lernen vertrauen!« klingt ja ganz wunderbar. Wenn es einen selbst nicht betrifft, lässt es sich eben leicht mit klugen Sätzen brillieren. Nur, sie ist viel zu groß, die Sorge des Willibald Adrian Metzger. Wie soll man bei den bisherigen Geschehnissen nach einer derart kryptischen Bemerkung: »Ich mach das!« auch loslassen können. Im Hinblick auf die Nerven des Restaurators könnte der Anruf aber nicht unerfreulicher ausfallen, denn Herr Seipold erklärt: »Oskar hat sich krankgemeldet. Das ist jetzt das erste Mal seit zwei Jahren,
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