Der Metzger holt den Teufel
gesagt, nicht stimmen, kann aber durchaus echt sein. Die Augenfarbe ist nicht wirklich erkennbar, da die Brille leicht getönt ist, vielleicht braun, dafür erkennen wir eindeutig die schmale Nase, das schmale Gesicht, eine ganz leichte Hasenscharte und ein Muttermal unter dem rechten Auge.«
Oskar gibt ein erstauntes Raunen von sich: »Sieht jetzt anders aus.«
»Unser Homolka ist diesbezüglich ein Genie«, erklärt Irene Moritz, die ein wenig Ahnung hat vom grafischen Arbeiten am PC.
»Der Meister seines Faches«, mischt sich nun auch wieder Josef Krainer ein, der keine Ahnung hat vom grafischen Arbeiten am PC und endlich den wohlverdienten fragwürdigen Blick seiner Kollegin erntet.
In Willibald Adrian Metzgers Hirn rumort es. Denn das kennt er nur allzu gut: Da reicht es, mit offenen Augen an städtischen Großbaustellen, an Einkaufszentren, Seebühnen oder Flughäfen vorbeizuspazieren. Vordergründig blank polierte gläserne Fassaden, die um Unsummen in Milliardenhöhe errichtet wurden, von denen ein paar Hunderttausender als staatliche und vor allem stattliche Altersvorsorge auf etliche Auslandskonten geflossensind, während hintergründig das tragende verborgene Gemäuer bereits mit dem Zeitpunkt der Fertigstellungsanzeige marode vor sich hin zu bröckeln beginnt.
Genauso kommt es ihm jetzt vor: Geblendet von der Wucht aller gegen Rupert von Leugendorf sprechenden Beweise, wird das Video zu einer Nebensächlichkeit degradiert. Richtig aufgebracht ist er jetzt, der Metzger: »Soviel ich aus den Berichten weiß, an denen man ja kaum vorbeikann, hat der Linkshänder Rupert von Leugendorf ohne die Aussage meiner Schwester kein brauchbares Alibi und keine Entlastungszeugen. Er hatte mit Ausnahme zu Eduard Pospischill Bezug zu allen Opfern, außerdem wurde bei ihm die Tatwaffe gefunden. Er ist mittlerweile das mediale Feindbild Nummer eins, er kann sich mit Händen und Füßen wehren, er ist chancenlos. Es hat also, wie Sie vorhin gesagt haben, Herr Kogler, alles Hand und Fuß. Wenn Sie mich fragen, sind das aber gar ein bisserl viele Extremitäten für eine einzige Person, finden Sie nicht auch? Und nun gestatten Sie mir in Anbetracht dieses Videos, auf dem eine Person zu sehen ist, die nicht einmal ansatzweise eine Ähnlichkeit mit Rupert von Leugendorf aufweist, diesen Gedanken: Was ist, wenn der Täter genau das mit seinen Taten bezweckt? Was ist, wenn der Mörder nur deshalb mordet, weil er Rupert von Leugendorf von Anfang an genau da hinhaben wollte, wo er jetzt gerade steht, wenn es ihm nur darum geht, Rupert von Leugendorf zu vernichten, wenn jedes Opfer nur diesem Zweck dient? Was ist, wenn der Mörder oder die Mörderin jeden hier herinnen die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hat, und die Einzigen, die ihm oder ihr bisher wirklich ernsthaft in die Quere gekommen sind, abgesehen von meinerseltsamen Begegnung im Wald, sind Philipp Konrad, Eduard Pospischill und in gewisser Weise auch Sophie Widhalm!«
Jetzt ist es still im Raum. Aufmerksam blicken alle Augen auf den Metzger, denn nichts von dem, was er gerade von sich gegeben hat, ist unsinnig, ganz im Gegenteil. Dann kontert Gerhard Kogler: »Und die Internetgeschichte? Denn all das wissen wir erst, seit eine aufmerksame Benutzerin bei der Polizei aufgetaucht ist und seitdem Sie, Herr Metzger, auf das Kennzeichen gekommen sind! War das auch vom Täter geplant? Das Internetcafé, von dem aus die Einträge gemacht wurden, man kennt Rupert von Leugendorf dort sogar, die Lage des Cafés ganz in der Nähe seiner Wohnadresse? Wer das alles bewusst so koordiniert, muss ein Genie mit übersinnlichen Kräften sein.«
»Mit Internet kenn ich mich zu wenig aus, aber in einem Punkt bin ich mir sicher: Menschen haben das erfunden, und Menschen betreiben es, also funktioniert es wie alles andere auf dieser Welt. Garantiert kann man sich das also zunutze machen. Abgesehen davon, bin ich überzeugt, dass die Polizei auch ohne meinen lächerlichen Rückschluss von Kammerton auf das Kennzeichen ganz von allein bei Rupert von Leugendorf gelandet wäre. Und jetzt wiederhol ich mich: Was ist, wenn der Mörder oder die Mörderin jeden oder jede hier herinnen die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hat?«
Irene Moritz ist blass geworden, sie steht auf, geht langsam zum Fenster, stützt sich mit beiden Händen auf das Fensterbrett und blickt regungslos hinaus. Schließlich dreht sie sich um, eiskalt sind ihre Gesichtszüge, klar ihre Stimme: »Gebt mir das erste
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