Der Metzger holt den Teufel
ergänzt, erzählt von seinen Begebenheiten beim Denkmal, von dem Besuch der Unbekannten in seiner Werkstatt und von Sven.
Herbert Homolka hat mittlerweile die Daten in seinen Computer eingelesen und bittet die Anwesenden, sich vor dem Bildschirm zu versammeln. Dann startet die Vorführung.
Das Bild ist etwas unscharf und verwackelt. Zu sehen ist eine dunkelhaarige Frau mit biederem, ins Gesicht fallendem Haarschnitt, Perlenohrringen und Hornbrille. Sie steht vor einer geöffneten Mülltonne. Ruhig blickt sie in die Kamera, dann kommt sie langsam näher, mit den eintönig gesprochenen Worten: »Pech gehabt, mein Junge, falscher Ort, falsche Zeit!«
Das Bild wird unruhig, dunkel, bewegt sich hektisch hin und her, das Rattern des Brettes und der heftige AtemPhilipp Konrads sind zu hören, und mitten hinein in diese Geräusche klingt abermals die Stimme der Frau, diesmal tiefer, laut und eindringlich: »Das nutzt dir nichts, ich finde dich, da kannst du machen, was du willst!«
Minutenlang geht es dahin, die Geschwindigkeit scheint hoch zu sein, das Brett rattert, der Junge hechelt, zu den Atemstößen mischt sich ein Wimmern, er stürzt, steht wieder auf, fährt weiter und weiter, stürzt wieder, dann bricht der Film ab.
Es dauert, bis jemand im Raum ein erstes »Aha!« herausbringt. Da hat der Metzger noch durchaus das Gefühl, dieses Video könnte einem möglichen Durchbruch dienlich sein.
»Und was sollen wir jetzt damit?«, ist die sinnige Frage des diensteifrigen Josef Krainer.
Josef Krainer, ein erfahrener Kollege, soll, so die Idee des Vorgesetzten Oberst Reinfried Jung, hierherversetzt die entstandene Lücke inmitten dieser jungen Truppe schließen. Entsprechend ambitioniert geht er an die Sache heran und provoziert damit die überraschte Reaktion des Metzgers: »Wie bitte? Das Video zeigt in gewisser Weise den vermissten Philipp Konrad, von dem Sie offenbar noch nichts gehört haben, am Tag des Mordes an Galina Schukowa. Der Junge wird, bevor er panisch davonläuft, von einer Frau bedroht. Die Frau ist, so wie die mir im Wald der Mühlbachs begegnete Antonia Lenz, groß und schlank, von ähnlicher Gestalt, mit einer Frisur, bei der die Haare ins Gesicht fallen und vieles verdecken. Außerdem sind erneut die Lippen sehr stark geschminkt, und es gibt abermals eine Brille. Ja, und sie steht vor einer offenen Mülltonne. Was, glauben Sie, könnte die Dame da gerade gemacht haben, um als erste Reaktion aufdie Begegnung mit dem Jungen lautstark dessen Todesurteil zu verbalisieren? Lulu? Das darf doch nicht wahr sein!«
»Ganz abgesehen von der Widhalm-Aussage!«, setzt Irene Moritz nach, die mittlerweile einen ähnlich massiven Ärger in sich hochkommen spürt wie Willibald Adrian Metzger.
»Welche Aussage?«, fragt Oskar zur Verwunderung aller, worauf sich Irene Moritz nicht zweimal bitten lässt und ihre Ausführungen der ersten Vormittagssitzung wiederholt.
»Das Foto, da gibt es auch ein Foto!«, mischt sich Oskar am Ende der Erzählung ein, was Herbert Homolka die angehängte Bilddatei öffnen lässt: »Wie man sieht, hat der Junge noch ein vergrößertes Standbild der Dame erstellt. Nicht schlecht, nicht schlecht!«
Irene Moritz versucht nun, mit einem ernsten, aber verbindlichen Blick in die versammelte Runde der angespannten Situation Herr zu werden: »Wir müssen das Foto bearbeiten, vielleicht gibt es noch Details, die wir genauer zum Vorschein bringen können. Und wir müssen das Video mit dem Tatort vergleichen, vielleicht gibt es Hinweise, dass es sich um dieselbe Straße handelt. Sollte es da Übereinstimmungen geben, steht klipp und klar fest: Mit diesem Bild haben wir neben Rupert von Leugendorf einen zweiten ernsthaften Verdächtigen und im schlimmsten Fall ein totes Kind, denn wie man sieht, bricht am Ende der Film ab!«
»Einen zweiten Verdächtigen?« Der Metzger kann es nicht fassen.
»Natürlich einen zweiten Verdächtigen!«, meldet sich Gerhard Kogler zu Wort: »Wir können doch die schwerenBeweise, die wir gegen Rupert von Leugendorf in der Hand haben, nicht einfach vom Tisch wischen, da hat alles Hand und Fuß!«
Etwa zehn Minuten wird diskutiert, bis schließlich der beim Computer sitzende Herbert Homolka auf horchen lässt: »So, hab das mal auf die Schnelle nachbearbeitet: Das also ist sie, geschätzte fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt, hager, groß, schlaksig. Taufen wir sie Antonia Lenz, vielleicht ist sie ja mit der Dame aus dem Wald identisch. Die Frisur muss, wie
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