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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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bescheidenen Bissen: Erdbeere.
    »Herrlich!«, bemerkt der Metzger.
    »Bisschen weit für eine Erdbeere!«, erwidert Oskar.
    »Glaubst du, Oskar, wir dürfen ein paar Minuten spazieren gehen?«
    Ohne zu zögern, dreht sich Oskar um, winkt in der Ferne Herrn Seipold zu, deutet dabei zum Ausgang, erhält ein Nicken und meint: »Gehen wir.«
    Hinter der Gärtnerei liegt ein Weg in der Sonne, der entlang einer Pappelreihe hinaus aufs Feld führt. Einige Zeit schlendern die beiden schweigsam nebeneinanderher, dann beginnt der Restautor das Gespräch: »Tut mir leid!«
    »Was?«
    »Der Unfall von Sven, das klingt ja schrecklich!«
    Oskar behält den Schritt bei, blickt unbeeindruckt vorwärts und erklärt: »Das war kein Unfall!«
    Und da wundert den Metzger nun nicht nur die Antwort. Denn bereits die Tatsache, dass sein Wissen über diese Angelegenheit bei Oskar keinerlei Erstaunen hervorruft, kommt ihm höchst sonderbar vor.
    »Willst du gar nicht wissen, wer mir davon erzählt hat, das …«
    »Das war kein Unfall!«, wiederholt Oskar seine Feststellung.
    Wie sicher sich der Junge am rhetorischen Parkett bewegt! Denn um erst gar nicht in die Verlegenheit zu kommen, sich abermals mit einer unguten Frage herumschlagen zu müssen, wirkt eine gezielte Unterbrechung Wunder.
    »Was heißt, es war kein Unfall?«
    »Da fährt man nicht weiter! Das Auto, das in Sven hineingefahren ist, ist aber nicht stehen geblieben!«
    Offenbar vertritt Oskar die Auffassung, dass die Angelegenheit nun umfassend genug behandelt worden ist, denn nach einer längeren Pause meint er, ebenso wie vorhin der Metzger: »Tut mir leid!«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Der Kommissar, das war dein Freund, oder?«
    Innerlich noch wund, trifft den Willibald dieses Thema nun völlig auf dem falschen Fuß. »Woher weißt du das?!«
    Diesmal gibt es eine Antwort: »Er war bei der Schule. Wegen Philipp. Sven war böse auf dich, weil er meint, du hast uns die Polizei auf den Hals gehetzt!«
    »Was hätte ich tun sollen, es war meine Pflicht, der Polizei davon zu erzählen. Das war ich Philipp schuldig, und ja, Eduard Pospischill war mein Freund!«
    Der Metzger muss stehen bleiben vor Rührung. Hat er sich still und heimlich also doch mit dem Thema Philipp Konrad auseinandergesetzt, der Kommissar.
    Ein stärkerer Wind kommt auf.
    »Geburtstag? Schnell, schnell!«
    »Was meinst du? Wer hat Geburtstag?«
    »Nicht wer! Wann? Pospischill. Schnell?«
    Der Wind streift über ihre Flanken, und wie ein Rauschen hört es sich an, das Rascheln der Bäume.
    »Ich glaube, im Februar, 6. Februar.«
    Oskar streckt seine Arme zum Himmel, lacht aus voller Kehle und brüllt: »Hallo, Pospischill, halloooo!« Dann blickt er mit glasigen Augen auf die Bäume: »Pappel: Geburtstag 4. bis 8. Februar, 1. bis 14. Mai, 5. bis 13. August. Braucht lockeren, tiefgründigen Boden. Lichtbedürftig, raschwüchsig, kurzlebig. Kann Stürme auf halten. Verlässlich in schweren Zeiten, beweglich im Geist, besitzt Vernunft und Intuition, aufgeschlossen und umsichtig. Magischer Baum. Baum der Götterstimmen. Schön!«
    Und endlich kann er seine Tränen nicht halten, der Metzger.
    »Weinen ist gut!«, erklärt Oskar und weint mit. Auf einem Feld stehen ein Mann und ein Junge und heulen, den Mund erfüllt von Erdbeergeschmack, die Sonne im Gesicht, den Wind um die Ohren.
    Jedes weitere Wort ist jetzt fehl am Platz. Erst bevor sich die beiden auf dem Weg zurück wieder der Gärtnerei nähern, kommt Willibald Adrian Metzger zum eigentlichen Thema: »Oskar, ich hab deine Truppe nun schon ein paarmal erlebt, du musst mir helfen. Wie du ja weißt, hat mir Sven davon erzählt, dass ihn Philipp direkt nach dem Diebstahl angerufen hätte. Dabei soll er dann so etwas Ähnliches ins Telefon gerufen haben wie: ›Ich glaub, da passiert was!‹ Kannst du dir vorstellen, dass Philipp dann genauso komisch reagiert hat wie deine Truppe?«
    »Was heißt komisch?«
    »Statt sich schleunigst aus dem Staub zu machen, zuerst das Mobiltelefon zücken und dem andern ins Gesicht halten. Das heißt komisch! Was bitte macht ihr dabei überhaupt?«
    Völlig entgeistert, als käme der korpulente Mann neben ihm von einem anderen Stern, blickt Oskar zu ihm auf und erklärt: »Fotografieren. Manchmal auch filmen.«
    »Filmen?«, wiederholt der Metzger und ist nun trotz der Tatsache, dass er sich seit dem von Ibrahim Leitzelsdorfer verewigten Ausflug mit seiner Danjela bereits die Erklärung »Fotografieren!« erhofft hatte,

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