Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
und Minze. Und ja, das Gefrorene hier schmeckt einfach nur herrlich, und ja, so ein Eis macht durstig, und ja, der Hauswein des erstbesten Restaurants mundet hervorragend – obwohl gerade am Nebentisch vor großen Kinderaugen ein nicht zu fassendes kulinarisches Schwerverbrechen serviert wird: Pizza, belegt mit Würstel und Pommes, drauf Ketchup, ein Hoch auf den menschlichen Saumagen.
Da lobt sich der Metzger sein flüssiges Achtel Roten und braucht gleich gehörigen Nachschlag. Heftig ist das ihm zu Ohren kommende Geschrei. Wie eine Gasse öffnet sich die Menschenmenge, und Verunsicherung legt sich auf die bis dato so tiefenentspannten Gesichter.
Was kein Wunder ist, denn wozu wird eine Fußgängerzone als solche bezeichnet, wenn hier auch noch andere Fahrzeuge außer Kinderwägen unterwegs sind, in diesem Fall auf Kollisionskurs.
Ebenso haben sie vier Räder, dann ein Lenkrad, eine Vorder-, eine Rückbank, eine Hupe und ein rot-weiß gestreiftes Stoffdach. Dies sind aber auch schon die einzigen an ein Automobil erinnernden Ingredienzien, der Rest allerdings weist dieses Gefährt eindeutig als Fahrrad aus.
Sicher, Willibald Adrian Metzger konnte seit seinem Dahinspazieren hier inmitten der Menschenmenge schon ein paar dieser vierfüßigen Drahtesel durch die Gegend kutschieren sehen, allerdings in einem derart gemächlichen Tempo, da gab es im Grunde keinen Anlass zur Sorge, und das trotz der jeweils aufgesessenen Mannschaften.
Gefahren werden derartige Vehikel nämlich vorwiegend von:
im besten Fall vorne mindestens einem Elternteil, der Rest Kinder; im nicht so guten Fall vorne Kinder und hinten Kinder, und im schlimmsten Fall, so wie jetzt, hinten zwei Weibchen, vorne zwei Männchen, die nun, egal ob pubertär oder großjährig, endlich die Chance wittern, der femininen Zuschauerschaft den in ihnen verborgenen Vettel, Alonso oder Hamilton präsentieren zu können.
Schwungvoll kippt Willibald Adrian Metzger den Rotwein seinen nun trockenen Rachen hinunter, erhebt sich und starrt ungläubig auf die gerade direkt vor seinen Augen vorbeiziehende Verfolgungsjagd.
Der Verfolgte ist ein sichtlich in Not geratener davonlaufender dunkelhäutiger Bursche mit Glatze, nur ein kurz geschorener Haarstreifen ziert irokesenartig seinen Kopf. Gequält ist sein Gesichtsausdruck, offen sein Mund, das aufgeknöpfte Hemd flattert im Wind und bringt den darunter verborgenen trainierten Oberkörper zum Vorschein.
Der Jäger ist das vollbesetzte Vierrad: Auf den Vordersitzen die beiden Herren des mittäglichen Konkurrenztisches, wobei der großgewachsene nun aus dem fahrenden Vehikel springt und die Verfolgung im Laufschritt aufnimmt; auf den Rücksitzen zwei dem Metzger ebenfalls geläufige Damen. Zehn Euro wechseln zum Kellner, dann läuft auch er, stürmt hektisch hinaus auf die Straße, zwängt sich durch die Menschenmenge hinein in die Schneise, reißt die Arme empor, winkt, brüllt: »Danjela!« Nur vergeblich. Madame Djurkovic ist aufmerksamkeitstechnisch bereits vollbeschäftigt.
Angespannt ist ihr Blick, sichtlich beängstigt krallt sie sich an dem Metallgestänge des Gefährts fest. Eva-Carola Würtmann hingegen ist kaum auf den Sitzen zu halten.
»Haltet den Dieb!«, verkündet sie lautstark der Allgemeinheit.
Für derartige Handlungsanweisungen sind die Tiefenentspannung der Urlauber und die bedrohliche Ausstrahlung des Gejagten allerdings zu groß. Es bleibt beim Zusehen. Kaum ist das Vierrad vorbeigeschossen, schließt sich die Schneise, was dem hinterherlaufenden Willibald ebenso wenig zugutekommt wie sein für solche Sprints eindeutig zu schlecht ausgestatteter Sauerstoffhaushalt. In kürzester Zeit verliert er völlig außer Puste den Anschluss und sieht es in eine der Seitengassen abbiegen, das so wüst getretene Vierrad.
Da steht er nun, der Metzger, und muss sich inmitten der rundum zurückgekehrten Bedächtigkeit ein fürsorgliches »Geht’s Ihnen nich gut?« anhören.
Und gut geht es ihm wirklich nicht, immerhin weiß er, wie der Hase im Gemüt seiner Danjela so läuft. Gewiss, die Dame ist großjährig, und trotzdem: Deutlich verantwortungsvoller und gesünder ist es, sein impulsives Prachtweib in Momenten großer emotionaler Aufgewühltheit unter keinen Umständen allein zu lassen. Folglich überkommt ihn nun gewaltig der Ärger, denn wie um Himmels willen konnte er nur so dumm sein, selbst für diese emotionale Aufgewühltheit zu sorgen und im Anschluss die Aufgewühlte samt ihrem gekränkten
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