Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
war das kein Marokkaner oder Tunesier, eher ’n Senegalese. Die wohnen oft hinten in den Pinienhainen oder in alten Hütten, ein bisschen außerhalb, manche pendeln auch täglich mit dem Bus hierher. Ein Stück in die Richtung können wir ja fahren, aber nich zu weit, is viel zu gefährlich, außerdem, falls meine Henni anruft, muss ich schnell zurück sein!«
Ja, der Herr Weibl kennt sich ein wenig aus, denn, wie er erzählt, seit seine Kinder nicht mehr mit ihm im Sand herumgraben oder Fußball spielen, kommuniziert er außer mit seiner Henni liebend gern auch mit diversen Nomadenhändlern, die jeden Morgen aus dem Laden, für den sie arbeiten, oder von Sammelpunkten ihre Ware abholen, dann bis zu zehn Stunden pro Tag vollgeladen wie Packesel in den ihnen zugewiesenen Abschnitten durch den Sand auf und ab marschieren und mit Tageslöhnen nach Hause spazieren, da rührt in Willibalds Heimat eine Putzfrau nach maximal einer Stunde keinen Finger mehr.
Und während Herr Weibl erzählt, passt sich die Umgebung dem durchaus bedrückenden Inhalt seiner Worte an. Er hat zwar noch nie einen Joystick oder eine Spielkonsole in seinen Händen gehalten, der Metzger, trotzdem kommt ihm nun der Gedanke, es wäre gerade die Ebene gewechselt, erneut in eine andere Welt eingetaucht worden.
Level Nummer 1: der Strand und die schnurgerade das Ufer entlanglaufende Aneinanderreihung von Hotelanlagen.
500 Meter weiter Level Nummer 2: die Einkaufsmeile und die mit Lokalen versehenen Nebenstraßen.
Wieder 500 Meter weiter Level Nummer 3: das Leben dahinter. Ein Leben, das man vom Hotel mit dem Blick hinaus aufs Meer weder sieht noch so erwartet. Zu krass sind die Gegensätze.
Heruntergekommen wirkt die Gegend. Müll, Plastikflaschen liegen auf der Straße, alte, rostige Autos stehen herum, Straßenlaternen flackern, die ersten etwas ungepflegter scheinenden Gebäude tauchen auf, armselig wirken hier selbst die Pinien, die am Ufer des Mittelmeeres als Schattenspender ein so idyllisches Bild abgeben. Alte, ausrangierte Campinganhänger tauchen zwischen den Bäumen auf, manche davon mit Vorbauten aus Zeltplanen, Blech- und Holzresten, eine kleine Gruppe dunkelhäutiger Männer steht vor einer Blechtonne, Stöckchen mit Gemüse- und Brotstücken werden über ein darin loderndes Feuer gehalten, und wirklich freundlich wirken die zum Vierrad gerichteten Blicke nicht.
Hans-Peter Weibl betätigt die Bremse: »Weiter fahr ich nicht, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die anderen hier lang sind.«
Einer der Männer legt seinen Stock ab und geht langsam auf die Straße zu. Etwas älter sieht er aus, grau schimmert sein kurzes Haar im Licht der Straßenlaternen, grau ist auch sein beinah bis zum Boden reichender gemusterter Kaftan. Stolz, beinah majestätisch ist seine Körperhaltung, aufrecht sein Gang.
Unruhe macht sich breit, was auch am eindringlichen Signalton aus Herrn Weibls Hosentasche liegt. Hektisch zückt er sein Mobiltelefon, lauscht und erklärt: »Alles klar, in zehn Minuten bin ich da!«
Dann meint er zu seinem Sitznachbarn gerichtet: »Meine Henni verlangt nach mir. Nichts wie weg, bevor es hier ungemütlich wi…«
»Einen Moment noch«, erklärt der Metzger und verlässt zum Entsetzen seines Chauffeurs den Wagen.
»Verzeihung, haben Sie hier vielleicht einen jungen Burschen vorbeilaufen gesehen, dahinter einen großen Mann und dann ein Rad wie dieses, mit zwei Fr…«, wendet er sich voll Angst um seine Danjela dem entgegenkommenden Herrn zu und wird alles andere als entgegenkommend unterbrochen:
»Lasst uns endlich in Frieden«, ist die beinah akzentfreie Antwort, ernst das Gesicht, eindringlich und ohne auszuweichen der Blick.
»Es war ein Wagen wie dieser, mit zwei Frauen, hab ich recht? Sind die hier weitergefahren oder …«, lässt der Metzger nun nicht locker.
»Hier gibt es nichts zu sehen und nichts zu holen. Fahren Sie.«
»Fahren wir!«, bestätigt Herr Weibl ungeduldig, dreht das Lenkrad bis zum Anschlag und beginnt mit aller Kraft zu treten. Hektisch springt der Restaurator auf, und noch bevor er seine Füße auf den Pedalen hat, erfährt der ansonsten so träge anrollende Wagen eine ungeahnte Beschleunigung. Kraftvoll schiebt der Dunkelhäutige von hinten an und wiederholt noch einmal, mit leiser und dadurch umso bedrohlicherer Stimme: »Bitte fahren Sie!«
»Verdammt, was soll das, ich hab Ihnen doch gesacht, das is gefährlich hier!«, äußert Herr Weibl nun wild strampelnd seinen
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