Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
Vom Netzwerk:
aufgestandenen Vater ein strenges »Verdammt, haut endlich ab!« zur Folge hat.
    Nur, weder Michaela noch Jole, noch Rolf und vor allem Tino bewegen sich ein Stück, also greift der Junge nach seiner langstieligen Schaufel und verpasst dem Hund einen deutlich wirkungsvolleren Rempler. Stocksteif rollt der leblose Körper in die Seitenlage, und aus dem Raunen der Zuschauer werden vereinzelte hysterische Schreie. Einige Mütter und Väter schnappen sich ihre Kinder und schieben sie hinter ihre Rücken, so auch Michaelas und Joles Eltern.
    Rolf bleibt allein in der Mitte zurück.
    »Ich hab beim Rausholen schon gesehen, dass da was komisch ist!«, ist ihm die Begeisterung anzusehen, und damit ist er der Einzige.
    »Um Gottes willen, was ist mit seinem Gesicht?«, äußert eine Dame ihr Entsetzen, und ja, den entstellten Anblick wird hier keiner so schnell vergessen. Das auch für gewöhnlich ohnedies schon so flach erscheinende Antlitz des Pekinesen wirkt wie nach innen, die nun eng beisammenstehenden Augen hingegen leicht basedowsch nach vorn gewölbt. Fast zur Gänze im blutigen Fell verschwunden ist die Nase, weit aufgespreizt ist das großteils zahnlose Maul.
    »Der Kopf ist eingetreten«, stellt Rolf nüchtern fest, berührt mit seiner Schaufel die kleine, von Sand überzogene, seitlich heraushängende Zunge und wird von hinten an der Schulter gepackt. »Verdammt, lass das!«, übernimmt nun Michaelas und Joles Vater fremde Pflichten und zieht den Jungen hinter seinen Rücken zu den beiden Mädels. Rolf lächelt.
    Einhellig ist der Tenor: »Wie krank ist das denn? Wer macht denn so was? Wenn Frau Würtmann das erfährt, die Arme! Der Hund muss hier weg, auf der Stelle«, und unüberhörbar ist der Bass: Mit tiefer Stimme erklärt ein eleganter, in Bermudas und Leinenhemd steckender Herr: »Lassen Sie mich nur machen, ich bring ihn rüber zur Strandbar und übergebe ihn Dolores.«
    Sorgfältig, mit zärtlichen Handgriffen, wickelt er den Hund in ein Handtuch, dann trägt er ihn fort. Langsam löst sich auch die Traube Schaulustiger auf, bis auf Rolf, der bleibt, bei Michaela und Jole.

    Ein wenig wie Trauernde sehen sie aus, die nun zu ihren Plätzen zurückkehrenden Urlauber. Gebeugte Häupter, leise Stimmen, betroffene Gesichter.
    Der Metzger hat dabei den weitesten Weg, denn sein Handtuch liegt in der letzten Reihe. So tragisch die Vorkommnisse nun auch waren, registriert er die eingetretene Stille und das Aufkommen der leichten Brise als durchaus angenehm. Größtenteils gerührt ist die Stimmung im entsprechenden Liegestuhlsektor, wobei, das muss hier schon gesagt sein, natürlich nicht jedem der Badegäste so ein dahingerafftes Viecherl zu Herzen geht.
    Vor allem die beiden Hausgäste schräg versetzt vor ihm, der große Herr Eichner und der kleine Herr Szepansky, amüsieren sich offenbar prächtig. Und das, obwohl sie gestern noch so mitfühlend nicht nur mit Frau Würtmann und Danjela bei Tisch, sondern auch auf den Plastiksitzen eines mit Muskelkraft betriebenen Vierrades gesessen hatten.
    Erheitert beugt sich Herr Eichner über die grüne Kühlbox, entnimmt dieser zwei Dosen Bier, öffnet beide und reicht eine an seinen Kumpel weiter: »Ein Hoch auf Tino!«
    »Also janz ehrlich, Justav, ick würd sagen, det is eher ’n Tief«, ist die Antwort des anderen. Hämisch grinsend setzt Herr Eichner das Blech so lange an die Lippen, bis der Inhalt vollständig dem Magen zugeführt ist, rülpst, stampft die Dose auf einen Bruchteil ihrer Größe ein und erklärt: »Ich wett mit dir, des Hundsviech wird heut noch faschiert und uns beim Buffet als Lasagne aufgetischt.«
    Das ist eben der Vorteil der deutschen Sprache, selbst wenn sich ein Ureinwohner Ostfrieslands mit einem Sprössling der Karawanken ganz dem jeweiligen Kulturgut entsprechend im regional gepflogenen Dialekt unterhält, versteht bei Vorhandensein großer Aufmerksamkeit der eine den anderen zumindest ansatzweise. Konzentriert spitzt er also seine Ohren, der Metzger. Sicher, da scheiden sich ein wenig die Geister, die einen schämen sich eines vielleicht herben Umgangstones wegen, die anderen studieren oder pflegen ihn aus Sorge, das Ursprüngliche könnte endgültig der Vermischung zum Opfer fallen. Und auch wenn sich der Kauderwelsch für den Metzger jetzt nicht unbedingt schön anhört, ist ihm trotzdem völlig klar: Um das Thema Schönheit und Geschmack geht es hier nicht. Wer würde auch schon die Nacktmulle, den Uakaris, das Fingertier als

Weitere Kostenlose Bücher