Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
protziger der hochpreisige Repräsentationsschlitten beziehungsweise je tiefergelegter die getunte Rostschüssel, desto krimineller die Fahrweise. Ein motorisiertes Gefährt ist eben unter Umständen nicht nur ein zugelassenes Transportmittel, sondern durchaus auch ein zulässiges Dokument, sozusagen der Idiotenausweis. Einzige Ausnahme: Harleyfahrer. So wild können diesen Reitern die Federn gar nicht wegstehen, so verwegen können sie sich gar nicht kostümieren, dass ihre Verkehrsteilnahme auch eine solche wäre. Die Harley nämlich wird offenbar nicht gefahren, sondern ausgeführt, bedächtig, ehrenvoll, friedfertig. Angsteinflößend wirken die Lenker also erst im abgesessenen Zustand.
Gustav Eichner jedoch scheint furchtlos, geht unbeirrt auf den Hünen zu und tritt ihm gegenüber. Da rechnet er jetzt schon mit einer Abrechnung, der Metzger, einem handgreiflichen Wiedergutmachungsakt für Noahs malträtiertes Knie, bleibt ihm dann doch verdattert der Mund offen. Eine Handgreiflichkeit findet zwar statt, allerdings nicht im Sinne von Faust ins Gesicht, sondern Handfläche auf die Schulter. Freundschaftlich klopfen sich die beiden Herren auf dieselbe und verschwinden unter der Zeltplane.
Ein wenig bleibt er noch fassungslos stehen, der Metzger, starrt auf das Kennzeichen des Motorrades und beschließt schließlich, zwecks Wartens ein verstecktes Plätzchen aufzusuchen.
Und weil er sich nun nicht auf den zugegeben einladend wirkenden, gemütlichen Harley-Ledersitz hocken kann, verschwindet er vis-à-vis im überraschenderweise durchaus gepflegten Sanitärgebäude, sucht sich aus den etwa zehn vorhandenen das eine, taktisch am besten gelegene Waschbecken und tut so, als ob, Körperpflege eben, schaut in den Spiegel und somit zum Eingang des Zelts, trinkt, gurgelt, wäscht sein Gesicht, registriert den dank Erfrischung sein Hirn durchzuckenden Geistesblitz, kramt in Danjelas Badetasche, und dann landet er in seiner Hand, der ihm zwecks Urlaubs-Beweisfotos von Danjela übergebene Apparat. »Werden es eben nur Beweisfotos!«, nimmt der Metzger nun den Spiegel ins Visier. Lange dauert es nicht, und Gustav Eichner tritt mit ein paar Zetteln zwischen den Fingern ins Freie, hinter ihm Noahs unabsichtlicher Attentäter mit einem Kuvert in der einen und einem Helm in der anderen Hand, gegenüber der Metzger mit der Kompaktkamera im Anschlag – und Foto.
Die zwei Herren verabschieden sich, es folgt eine brüderliche Umarmung der Kategorie »Alte Bekannte« – und Foto. Man kennt einander, das steht einwandfrei fest, und es wurden Geschäfte gemacht. Denn kaum tritt Gustav Eichner den Retourweg an, werden dem Kuvert eine Reihe an 100-Euro-Banknoten entnommen – und Foto –, die Scheine gezählt – und Foto –, in die Geldbörse gesteckt, der Helm aufgesetzt und das Motorrad gestartet – und Foto. Richtig eine kindliche Freude hat er da, der Metzger, mit dem Fotoapparat in der Hand, und vielleicht könnte er in weiterer Folge eine Befähigung zum Paparazzo in sich orten, würde sich da im Eingang des Sanitärbereiches nicht plötzlich während des erneuten Abdrückens ein bekanntes Gesicht sozusagen vor die Optik schieben – und Foto.
»Jetzt staun ich aber!«, wird dem Restaurator entgegengelächelt.
»Ja, Herr Weibl! Das Staunen ist ganz auf meiner Seite, ich dachte, Sie wohnen im Hotel!«
Mit offenen Armen kommt Hans-Peter Weibl auf Willibald zu und schüttelt ihm euphorisch die Hand: »Dachten Sie? Wie gesacht, hier haben wir mit unseren Kindern jahrelang geurlaubt, in unsrem Campingbus, und wenn es für meine Henni aus nostalgischen Gründen genau dieser Strand sein muss, zahl ich auch kein Hotel. Außerdem, was is schlecht an Camping! Haste dein Zuhause immer dabei, kannste stehen bleiben und kannste abreisen, wannste willst.
Und Sie, was machen Sie hier, Selbstporträts? Gibt ehrlich gesacht ’n höchst interessantes Bild ab, ein Mann, der allein in nem Waschraum steht und sich in nem Spiegel fotografiert.«
So betrachtet hat er natürlich recht, der Herr Weibl, und eine schlüssige Alternativerklärung zu diesem Spionageausflug bietet sich jetzt auch nicht wirklich an.
»Ein Spionageausflug ist das«, lautet also die Erklärung. Herr Weibl zieht die Augenbrauen hoch, und der Metzger setzt fort: »So schön ist unser Hotel nämlich nicht, da haben Preis und Leistung ein denkbar schlechtes, man kann ruhig sagen schmutziges Verhältnis. Jetzt bin ich sozusagen auf Fotosafari zwecks
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