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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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als in irgendeiner Form wertvoller, nicht existierender Teil dieses Landes. Sein Lohn aber war ein noch viel größerer.
    Denn er hob eine der 82 Verletzten von der Straße auf, ein blutendes Mädchen, eines, das er zuvor nie so genau angesehen hatte, und trug sie davon. Youma.
    Ihr Streifschuss verheilte bald, seine Wunde wird ewig bleiben.
    Ein Jahr schlug er sich mit ihr und einer kleinen Gruppe durchs Leben, saß mit ihr in einem der Busse, stand mit ihr am Feld, schlug sich mit ihr durch den Winter, lief mit ihr die Küste entlang bis hierher, konnte sie nicht so beschützen, wie sein Herz es von ihm verlangte, sah ihre Tränen, ihren blutenden Leib, wusste nicht, wer es ihr angetan, wer sich an ihr vergangen hatte, sah ihren größer werdenden Bauch, ihren schwächer werdenden Körper, sah ihre angsterfüllten Augen, hörte ihre Worte: »Wirst du da sein, Noah?«, hörte sich ihr sein Versprechen geben, hörte den letzten Schrei ihres Lebens, hörte den ersten Schrei ihrer Tochter.

    »Youma, ich bin da«, flüstert er beim Autofenster hinaus, während ein Land an ihm vorüberzieht, das er nun nicht mehr sein Zuhause nennen wird.

Presto
    Etappe 2
    Dio ci manda il cibo, il diavolo i cuochi.
    Italienisches Sprichwort:
    Gott gibt uns das Essen, der Teufel die Köche.

Affen und Adler
    Es ist der immer wiederkehrende Rhythmus, der aus dem Chaos ein Pendeln macht, der alle Hektik zur Ruhe kommen lässt. Tack-tack, tack-tack, dringt es an ihr Ohr, leise, kaum vernehmbar, kaum fühlbar, und doch hat es sie erfasst.
    Dolly Poppe ist müde, hundemüde.

    Tage wie diese schreien eben förmlich nach einer Kündigung.
    Eine großteils weibliche Touristengruppe, bestehend aus 14 Personen, begleiten zu müssen, von denen einige in Gegenwart der jungen, einheimischen Reiseführerin Maria Giuliani unverblümt erkennen lassen, den gedruckten Reiseführer der besuchten Stadt bereits zu beherrschen, »… da hat …«, wortwörtlich: »… die Giuliani Bella-Marie noch ganz gewaltig in ihre Windeln gschissen«, für so einen Kreuzweg ist kein noch so gutes Trink- als adäquates Schmerzensgeld anzusehen – und nicht einmal von gut konnte dann die Rede sein.
    Der einzige Trost war die kollektive, besserwisserische Verweigerung der von ihr und Maria Giuliana in Gewissheit des drohenden Unwetters vorgeschlagenen vorzeitigen Heimfahrt und die anschließende komplette Durchspülung dieser 14-köpfigen Idiotenpartie. Die Party dabei allerdings hatten allein Maria und Dolly.
    Die Lidschatten der Damenriege glichen einem Schüttbild, die zumeist künstlich erblondete Haarpracht einer an der Zange baumelnden Ladung tropfender Nudeln al dente, und beim Anblick der plötzlich in Kontur und Masse offenbarten klitschnassen Gestalten wollte man ans Essen erst gar nicht mehr denken müssen, von den drei anwesenden Männern ganz zu schweigen.
    »La scimmia è sempre scimmia, anche vestita di seta«, entkam es Maria lächelnd zum Himmel gerichtet, und allein Dolly gewährte sie flüsternd die Übersetzung:
    »Auck in Seide gekleidet bleibt die Affe immer eine Affe!«
    »Stimmt, schön ist er nicht, der Mensch«, tuschelte Dolly zurück, nur um in weiterer Folge einmal mehr zu erfahren, dass dies nicht nur für das Äußerliche Gültigkeit hat.
    Sicher, alle über einen Kamm zu scheren ist nicht zulässig, dennoch, und das weiß sie dank ihrer vielen Besuche in dieser durchwegs beschissenen, überbewerteten Vogelstadt sogar ohne Maria Giuliani: D’aquila non nasce colomba – Aus einem Adler wird keine Taube.
    Vor den Krallen, dem gefährlichen Schnabel und der großen Spannweite eines Menschen kann man gar nicht genug auf der Hut sein.

    Die Rache also ließ nicht lange auf sich warten, denn natürlich wurde die Belustigung der beiden Damen von der bis auf die Haut durchnässten Truppe registriert, und natürlich war ein weiblicher Stammgast darunter, der Maria Giulianis Sprache bereits beherrscht, da hat die Giuliani Bella-Marie noch ganz gewaltig eh schon wissen …
    Kaum im Hotel angekommen, wurde Dolores Poppe also von der diensthabenden Rezeptionistin Fabiana zur Hotelmanagerin Margit Becker gebeten. Und wenn Dolly eines kennt, dann den im Fall eines ehemals gegenseitig ausgespannten Mannes auf Lebzeiten garantierten Zickenterror. Eine jederzeit drohende frontale, seitliche oder hinterrücks ausgeübte Stutenbissigkeit ist ihr also sicher. Wie gesagt, sie ist eben keine Brave, die liebe Dolly, und sie war einst dem Kinderanimateur

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