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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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braucht allerdings nicht lange, und Danjela findet eine Erklärung. In gewissem Sinn geht es ihr nun sogar wie Dolores Poppe. Hundertprozentig wohl ist ihr nämlich nicht, denn sie hört ihn noch recht gut, den Einwand ihres Willibald: »Danjela, bitte misch dich nicht ein, die zwei sind erwachsen. Es wird schon einen Grund geben, warum sie ihrer Mutter nichts sagt!«
    »Aber macht sich Eva Sorgen!«, übte sich die eifrig SMS tippende Danjela einmal mehr in der Kunst der Sturheit und des Ungehorsams ihrer eigenen inneren Stimme gegenüber, denn sie wusste durchaus, ihr Willibald hat nicht ganz unrecht – und drückte auf Senden:
Hab ich gerade gesehen deine Tochter, sitzt in selben Nachtexpress wie wir, glaub ich, fährt nach Hause! Schlafst du gut, Danjela.
    Und offenbar, so nimmt zumindest Danjela an, wurde die Botschaft schon gelesen. Folglich hat aus ihrer Sicht Dolores Poppe nicht ganz unrecht mit der Bemerkung: »Was geht Sie das alles an, möchte ich wissen?«
    Und weil Danjela anders als Dolly nun Mitleid für ihr Gegenüber empfindet, versucht sie durch die Tür der mobilen Häuselanlage das Gespräch fortzuführen:
    »Haben Sie recht und tut mir leid. Aber wollte ich nur helfen. Mag ich nix, wenn macht sich jemand Sorgen!«
    »Sorgen!«, dringt es klarerweise, ohne eine Ahnung von Danjelas Nachricht zu haben, durch das Türblatt: »Wie lang kennen Sie meine Mutter jetzt? Seit maximal einer Woche, oder? Ich kenn sie seit 26 Jahren und kann Ihnen versichern, die einzige Person, um die sich meine Mutter wirklich Sorgen macht, ist …«, versöhnlicher wird die Stimme, »… meine Mutter! Aber Schwamm drüber, Hauptsache, Sie rufen sie jetzt nicht gleich an und sagen ihr, wo ich bin. Wissen Sie, wenigstens ein paar Tage wär ich zu Hause gern für mich allein. Sie haben ja keine Vorstellung, wie mir meine Mutter, wenn sie ohne Partner ist, auf die Nerven geht, und zwar täglich, als wär ich für ihre Unterhaltung zuständig.«
    Und während sich Danjela mit hochroter Miene wünscht, für ein Weilchen im Erdboden versinken zu können, geht zuerst die Spülung, dann die Wasserleitung an und schließlich die Türe auf: »Eine Sauerei ist das da drinnen! Da gibt es nur ein intaktes WC für zwei Waggons, und dann so was«, verzieht Dolly ihre Miene und deutet auf die verdreckte Toilette.
    »Genau das hab ich ja vorhin gemeint mit: Wie kann man nur so, so, so eine Dreckschwein sein«, würde Danjela Djurkovic gern sagen, traut sich aber nicht, denn dann müsste sie erklären, weshalb auch sie dieses von Dolores Poppe geäußerte »Was geht Sie das alles an, möchte ich wissen?« falsch verstanden hat, müsste erklären, dass eine nicht zu schickende Kurzmitteilung garantiert längst schon an der Pforte eines offenbar noch abgedrehten Mobiltelefons steht und auf Einlass wartet.
    »Ja, ist große Sauerei!«, bestätigt Danjela nun kleinlaut, will das Heil in der Flucht antreten, noch eine schöne Weiterfahrt wünschen, dann ändert sich schlagartig ihr Vorhaben.

Drei und Vierzig
    Zu blass für die eben noch da gewesene Bräune erscheint Danjela das ihr entgegenblickende Gesicht, zu schwach die Stimme, zu kraftlos die Haltung.
    Schweißperlen pressen sich auf Dollys Stirn, weich werden ihre Knie, dann sinkt sie langsam zurück und lässt sich zittrig auf der Toilette nieder.
    »Meine Güte, haben Sie gerade ganz schlechte Kreislauf. Am besten Sie …«, stürzt besorgt Danjela hinterher.
    »Unterzucker«, flüstert Dolly mit schwacher Stimme. »Ich bin Diabetikerin, ich …«, sie holt tief Luft, »ich hab wegen der ganzen Aufregung heut Abend viel zu wenig gegessen, zu viel gespritzt, und Alkohol getrunken hab ich auch, ich, ich …«
    Dolores Poppe muss abbrechen, und Danjela bekommt sichtlich die Panik. »Um Gottes willen, brauchen wir sofort Arzt, zieh ich Notbremse, wir müssen …!«
    »Ruhe bewahren«, meldet sich Dolly erneut zu Wort: »Gehen Sie den Gang vor, drittes Abteil, und holen Sie mir die rote Tasche!« Und dann läuft sie den Gang hinunter, die Danjela, öffnet unter Gemurre die besagte Tür, findet alles, nur keine rote Tasche, stürmt ins dritte von der anderen Gangseite gezählte Abteil, bleibt erneut erfolglos, erinnert sich an Dollys Bemerkung über das einzige intakte WC innerhalb zweier Waggons, wechselt den Waggon, stürmt hinein ins nächste dritte Abteil, wieder Gemurre, enormer Schweißgeruch, Geschnarche, sechs Betten, vier von Menschen belegt, eines von einer roten Tasche, ein

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