Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Abrücken ein.
»Wie wir?«, fühlt sich der Metzger nun in Anbetracht der von ihm geplanten Dienstagabend-Gestaltung etwas in die Enge getrieben.
»Nicht du und Petar, mein ich Dolly und mich. Muss Edgar raus und braucht Dolly dringend Essen, Dusche und Platz für Ruhe.«
»Wie Ruhe?«, klingt das eben Gehörte nicht minder überrascht.
»Willibald, wenn es dich stört, sag es ruhig, dann such ich mir ein Hotel. Ich versteh das«, meint Dolly, und alles, was der Metzger versteht, ist: Offenbar war das Radio zu laut. Seine Danjela hat also wieder einmal vor seiner Nase und zugleich hinter seinem Rücken etwas beschlossen, auf eigene Faust.
»Hat Dolly gute Freundin, heißt Irmgard, kommt erst zurück Freitag, bis dahin ist herrlich Platz auf Chesterfieldsofa, oder? Rufst du an wegen gemeinsame Abendessen«, verabschiedet sich Danjela, gibt ihrem Willibald einen Kuss, und weg sind sie, die beiden Damen.
»Man muss nicht unbedingt als Igel über die Bundesstraße unterwegs sein, um ordentlich überfahren zu werden«, äußert sich der Metzger, kaum ist die Werkstatttür ins Schloss gefallen, entsprechend unglücklich. Wobei sich in diesem Fall der Eigensinn seiner Holden insofern von dem seinen unterscheidet, da Danjela zumindest öffentlich bekanntgibt, welchen Entschluss sie gefasst hat. Der Metzger nämlich hüllt sich in puncto Abendprogramm in Schweigen.
»Muss Danjela eben einfach immer helfen. Ist sie ein guter Mensch«, ergreift der an sich so schweigsame Petar Wollnar Partei und ergänzt: »Wenn es oben zu laut und eng wird, kommst du einfach zu mir.«
Ja, Ruhe braucht er, der Metzger, da hat Petar Wollnar absolut recht. Im Prinzip ist er trotz oder gerade des Urlaubs wegen schwer urlaubsreif. Die Ungewissheit, die aus dem Hintergrund lauernden Überraschungen sind seine Sache nicht, und deren hatte er in letzter Zeit genug.
»Wo du recht hast, hast du recht: Danjela ist ein guter Mensch, so wie du«, entgegnet er schließlich nicht ohne Hintergedanken.
Keine Stunde später nimmt ein vollbeladener Pritschenwagen Fahrt auf.
Anfang und Ende
Es war eine Etappe, die er nie wieder vergessen wird. Wenn es am Ende eines Lebens ein helles Licht geben soll, auf das die Seele befreit und voll Frieden zusteuern darf, hinein in das ewige himmlische Paradies, dann war dieses letzte Stück seiner so langen Reise die irdische Vorahnung vom Garten Eden. Nach einer langen Fahrt die Autobahn entlang bäumten sich Gebirgszüge vor seinen Augen auf, überzogen von einem Grün, wie er es zuvor noch nie gesehen hatte. Links und rechts säumte zwar das Bett eines ausgetrockneten Flusses, ein Anblick, der ihm nicht fremd war, die Straße, aber trotzdem strömte von den Bergen das Wasser. Es ging durch unzählige Tunnel, dann wechselte das Land seinen Namen, wurde die Sprache eine andere, wurde alles noch gepflegter, wurden Wiesen und Wälder noch satter, noch leuchtender vor Lebendigkeit. Blumen wuchsen aus den Fenstern der Häuser, Häuser, von denen keines verfallen, schäbig wirkte, weit und breit war kein Dreck, kein Müll zu sehen, kein in Lumpen gehüllter Mensch.
Rudi wollte Pause machen, an einem türkis leuchtenden See, umgeben von Unmengen gigantischer, dunkelgrüner, nach oben hin schlank werdender Bäume mit Blättern spitz wie Nadeln. Sie hievten ihn aus dem Wagen, halfen ihm aus der Kleidung, und er tauchte ein in ein Wasser, so rein und klar, wie er es zu Hause nicht zu trinken bekam. Hier schwamm er darin, hier erstreckte es sich so weit er nur sehen konnte.
Sie lagen am Ufer, umgeben von Wald, griffen um sich und aßen blaue Beeren, sie fuhren im Schritttempo einen Weg entlang, an dessen Rand Bäume wuchsen, mit kugeligen Kronen, tiefhängenden Zweigen, unter deren Blätter herrlich rote, süße Früchte hingen. Immer wieder hielten sie an, aßen, spuckten die Kerne im hohen Bogen in die Felder. Dann ging die Reise weiter, er kehrte direkt neben der Autobahn in zur Rast errichteten Gebäuden ein, mit Möbeln, Lampen, Wänden, Toilettenanlagen, wie sie in seiner Heimat kein Palast besaß, er bekam zu essen, zu trinken, als wäre er ein König. Alkohol, denn Wasser, wurde gesagt, könne er von nun an trinken ohne Ende, ohne bezahlen zu müssen, ohne sparen zu müssen, aus jeder Leitung kommt es, aus jeder Dusche, jedem WC, es ist immer von derselben Makellosigkeit, spült alles hinunter, den Schmutz, den Kot, den Harn, den Durst, den man hier nicht kenne. Er fuhr Straßen entlang, die den Wagen rollen
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