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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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unternimmt, um den Abstand nicht zu groß werden zu lassen, ist das Ziel erreicht. Was die Umgebung betrifft, geht es in dieser Stadt nicht nobler. Und viel weiter gehen hätte die Reise auch nicht dürfen, denn laut Armaturenbrett neigen sich die Treibstoffvorräte des Pritschenwagens dem Ende zu.
    Mittlerweile wundert den Metzger gar nichts mehr.
    »Stehen bleiben, gleich hier!«, befiehlt er mit großer Anspannung. Da braucht es jetzt nämlich nicht extra einen Blick auf die von ihm am Strand im Rätselheft hinterlassenen Notizen, um zu wissen, wer in dieser Gasse, ein paar Hausnummern weiter vorne, residiert.
    Und während sich der Pritschenwagen in eine Parklücke auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwängt, öffnet das Auge einer Überwachungskamera ohne Betätigung der Glocke das Tor hinein in den aller Wahrscheinlichkeit nach prächtigen Vorgarten der Maiervilla und gewährt Angelas Wagen Einlass. Aller Wahrscheinlichkeit nach deshalb, weil er nämlich keinen Vorgarten und im Grunde auch keine Maiervilla sieht, der Metzger, da nutzt ihm selbst seine erhöhte Sitzposition nichts. Maximal von der Spitze einer auf der Ladefläche eines Lkw aufgehäuften Fuhre Schotter könnte er einen Teil des Maier’schen Anwesens begutachten, so emporragend und blickdicht ist der Zaun. Und hinaufklettern und drüberschauen steht für den Metzger in Anbetracht seiner körperlichen Grundvoraussetzungen, der Video-Überwachung und des an der Oberkante verlaufenden hundertprozentig elektrisch aufladbaren Zauns nicht zur Debatte.
    Dass die Privatgemächer eines Kunstsammlers, Bankers und Staatsheiligtums, wie Dr. Konrad Maier zweifelsohne eines ist, nicht jedem, der sein Kinderwagerl oder seinen Hund an dieser Adresse vorbeiführt, auf Anhieb zeigen sollen: »Ah, Dr. Maier übt Klavier; ah, Dr. Maier und seine zweite Frau Marie lassen sich von der Haushälterin das von der Köchin zubereitete Abendessen servieren; ah, Marie aktiviert den LED-90-Zöller mit einer Bildschirmbreite von fast 230 cm und schläft bei den Nachrichten ein; ah, der Maier Konrad im Nebenzimmer surft wieder einarmig auf Pornoseiten; ah, der Maier Konrad hat einen neuen Pyjama …!«, ist nachvollziehbar, dass die Außenmauern allerdings einer Festung gleichen, bietet schon Nährboden für Gedankengänge wie: »Was hat Maier Wertvolles zu beschützen? Was hat Maier zu verbergen? Wen hält er an der kurzen Leine? Hat er wen eingesperrt? Wovor hat er Angst?«
    Trotzdem: Es ist Dienstagabend, und wenn es genau jener Dienstag ist, von dem Rudi Szepansky kurz nach seiner Tretboot-Rettung heraus aus den Wogen des Meeres behauptet hat, er würde sich von Dr. Konrad Maier erklären lassen wollen, welch wichtige Skulpturen es rechtfertigen, beinah vor aller Augen zur Boulette, also genau zu den frisch in Willibalds Magen gelandeten Fleischlaibchen, verarbeitet zu werden, könnte es vielleicht etwas zu sehen geben. Und insofern hat er natürlich recht, der Metzger. Denn in einem Villenviertel, durch das ein Normalbürger nur dann regelmäßig marschiert, wenn er als Postler, mobiler Altenbetreuer oder Sushi-Lieferant tätig ist, fällt so ein, von einer Riege vollkaskoversicherter Nobelkarossen flankierter, schlampig geparkter, besetzter, rostiger Pritschenwagen natürlich auf.

    Danjela sitzt rührig im Schlafzimmer und kann nicht umhin, dem Schreiben in ihrer Hand trotz der unüberlesbaren Drohung doch auch eine Spur an Positivem abzugewinnen. So schlimm der Brief, den sie aus der Werkstatt mit heimgenommen hat, auch ist, so wunderbar ist dieses eine Bild: der erste Tanz in den Armen ihres Willibald. Und es ist ein schönes Foto noch dazu, am liebsten würde sie es einrahmen und in die Vitrine stellen. Zwei triefend nasse Menschen, denen das ganze Glück des Augenblicks anzusehen ist, festgehalten für die Ewigkeit.
    »Telefon«, meldet sich Dolly aus dem Wohnzimmer.
    »Gehst du ruhig ran«, meint Danjela noch verträumt.
    »Bei Djurkovic«, holt sie dann Dollys Stimme schlagartig zurück in die Gegenwart. Doch zu spät. Die eingeschossene Befürchtung hat sich bereits in der Sekunde ihres Gedankens erfüllt. Blass, mit fast panischen Augen und vor den Mund gepresster Hand wird Danjela der Hörer übergeben.
    »Ich hab aufgelegt, aber ich wette, es dauert keine …«, und schon läutet es erneut.
    »Ja, Eva-Carola, ist schön, dich zu hören!«, nimmt Danjela hochrot die Aufforderung an. »Sag, rufst du an aus Hotel? Ist viel zu teuer … Ach so, bist

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