Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
du schon zurück? Nein, war Putzfrau. Genau, kommt einmal die Woche, immer heute Abend.«
Danjela bleibt vor Aufregung das Herz stehen, sie kann andere vielleicht gut zwecks Urlaubs hinters Licht führen, offiziell lügen allerdings war nie ihre Stärke.
Dolly verschwindet zur Sicherheit gleich ins Bad und lässt sich ein ebensolches ein, denn, so weiß sie, die Unterhaltung wird in Ermangelung jeglichen Freundeskreises ihrer Mutter nun dauern. Und sie behält recht. Da hat sich die Haut ihrer Hände bereits wie das Gesicht eines Shar-Pei-Hündchens in Falten gelegt, scheint sich das Gespräch hörbar endlich dem Ende zuzuneigen:
»Glaub ich, Eva, is besser, gehen wir erst spazieren mit Edgar, wenn hast du neue Hund.
–
Nein, kann ich morgen unmöglich, weil wurde eingebrochen in Werkstatt, ist gerade alles große Katastrophe.
–
Nein, ist lieb von dir, aber brauchen wir keine Hilfe. Ist, glaub ich, beste Idee, wenn ruf ich dich an. Wird sicher alles leichter ab Samstag.«
»Samstag«, flüstert Dolly, und dann sind sie wieder da, ihre Tränen. Weder an diesem Samstag noch an einem anderen Wochentag wird es einen Neubeginn für sie geben.
»Rudi«, schluchzt es dann leise durchs Bad, da hat Danjela längst aufgelegt.
»Schätz ich, wird für Willibald spät werden heute in Werkstatt. Was meinst du, mach ich uns Abendbrot, ist Essen gut für Seele!«
Und dann werkelt sie in fast mütterlicher Fürsorge, während Dolly auf dem Chesterfieldsofa liegt, den Brief ihrer verlorenen Liebe in Händen hält, als gäbe er ihr Halt, und allen Schmerz herauslässt.
Erst in Anbetracht der von Danjela an den Couchtisch servierten kalten Platte steht sie auf und bringt ihn weg, legt ihn auf die Anrichte, und dann kühlt das von Dollys Fingern erwärmte Papier ebenso ab wie ihr Gemüt:
»Danjela, was ist das für ein Brief?«
»Ist Drohbrief von eine Herrn Weibl an Willibald.«
»Das, das kann nicht sein.«
So stehen zwei Damen ein Weilchen mucksmäuschenstill vor der Anrichte und trauen ihren Augen nicht. Fast wie Kunstwerke erscheinen die fantastisch gleichmäßigen Buchstaben, und zwar auf beiden Schreiben. Haargenau dieselbe Schrift, einwandfrei derselbe Autor.
»Aber ist Rudi doch verreist schon am Vormittag und hat Willibald bekommen Brief erst am Abend?«
»Was willst du damit sagen?«, verliert Dolly zusehends an Gesichtsfarbe.
»Sieht man, ist auf beide Briefe selbe Handschrift, und ist Foto dabei von Nachmittag. Also kann Brief nur geschrieben und zu Rezeption gebracht worden sein nix früher, und …!«
»Das heißt, Rudi hat meinen Brief gar nicht geschrieben, meinst du das?«
»Na ja, ist Möglichkeit.«
»Dann ist das alles gedichtet, dann wollte mich Rudi vielleicht gar nicht wiedersehen.« Wieder steigen Dolly die Tränen in die Augen: »Aber hier stehen Dinge, die mir Rudi auch im Zimmer gesagt hat, woher weiß dann dieser Weibl davon?«
Und dann erzählt sie kleinlaut von ihrer noch am Bahnhof versandten SMS und dem anschließenden Telefonat: »Ich hab Rudi alles erzählt, Willibalds Verdächtigungen, seinen Anruf bei Irene Moritz, vielleicht …«
»Vielleicht ist Weibl Komplize!«
Dornröschen und die Nervensägen
Petar Wollnar wäre bis zum heutigen Tag wohl nie auf die Idee gekommen, den Pritschenwagen von innen zu verschließen. Abgesehen davon ist das Baujahr seines Gefährts weit von Zentralverriegelungszeiten entfernt, was bedeutet, selbst wenn er jetzt zusperrt, es hat auf die Beifahrerseite null Auswirkung.
Einziger Trost: So schnell geht die ganze Aktion, der Hausmeister hätte selbst in einem mit jedem erdenklichen Pipapo ausgestatteten 2013er-Modell das größte Problem, die nun von ihm geforderte Reaktionszeit zusammenzubringen. Da steckt sein Kopf gerade erst auf halbem Wege, um Willibald Adrian Metzger den vorgesehenen, erstaunten Blick zuzuwerfen, ist die zum Gehsteig gelegene Beifahrertür schon sperrangelweit offen.
Gewiss, die Umgebung hat sich zwar verändert, die Heerschar an Schirmen ist zurzeit einer Allee aus Laubbäumen gewichen, der Sand dem kaum befahrenen Asphalt, das Salzwasser dem in wohl jedem der Gärten vorhandenen Süßwasserpool, die Gesichter der Beteiligten aber sind, bis auf Petar Wollnar, erschreckend gleich geblieben.
Dolores Poppe ist bei Danjela, Frau Würtmann einsam in ihrer Wohnung, Noah in der Gewalt Gustav Eichners, Angela mit Darya und Dr. Lorenz zu Besuch in der Maiervilla, Rudi Szepansky in einem Kühlfach, und ein weiterer
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