Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
anstatt in ein Lagerfeuer in die Abendsonne und akzeptieren sich. Und weil dem neuen Fahrgast zwecks endgültiger Zusammengehörigkeit ein Utensil in der Hand noch fehlt, greift Petar Wollnar neben sich und reicht ein Bier zur neu besetzten Beifahrerseite.
»Darf ich nich im Die…, in dieser schwierigen Situation, vielen Dank!«, wird anfangs eine Spur zu tiefenentspannt, dann eine Spur zu aufgesetzt abgelehnt.
»Dürfen Sie nicht in dieser schwierigen Situation?«, hakt der Metzger sofort nach, und nun starrt er seinen Sitznachbarn an, als wäre es ihm möglich, Gedanken zu lesen: »Oder meinten Sie: im Dienst?«
Der ehemals als Herr Weibl bekannte Hans-Peter ignoriert die Anwesenheit jeder weiteren vorhandenen Lebensform und beißt demonstrativ geradeaus blickend in die Semmel.
»Also im Dienst, hab ich recht? Ein Notarzt werden Sie, nehm ich an, ja keiner sein. Dann haben wir es also eventuell mit der Polizei zu tun?«
»Oder einem Auftragsmörder«, ist die Antwort. Ein neuerlicher Griff in die Jackentasche bringt ein Schweizer Taschenmesser zum Vorschein, die Flasche Bier wird Petar Wollnar aus der Hand gerissen, wie aus Trotz geöffnet, vielsagend mit einem Zug zur Hälfte entleert und ein langer Seufzer in den Innenraum des Wagens gestoßen.
»Die Nervensäge hier herinnen bin nicht ich!«, versucht der Metzger erneut ins Gespräch zu kommen. Vergeblich.
Dann wird es hell hinter den Maiermauern, die Blicke der drei Insassen des Pritschenwagens richten sich konzentriert auf den Rückspiegel und das sich nun öffnende Tor.
Lange dauert es nicht, und der Metzger registriert Angelas herausfahrenden und in Richtung des Pritschenwagens abbiegenden dunkelblauen Volvo Kombi. In weiterer Folge schließt sich das Tor, und Angela Sahlbruckner parkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der erstbesten Einfahrt ein. Aufrecht und regungslos ist ihre Haltung, die Hände am Lenkrad, das Haupt gerade gerichtet, eine dunkle Sonnenbrille hat sie auf, vielleicht sieht sie die Straße entlang, vielleicht in die Kronen der Bäume, vielleicht ins Nichts.
Ein Weilchen bleibt sie so sitzen, umklammert nach wie vor das Steuer, dann sinkt ihr Kopf vorwärts, stützt sich ihre Stirn am Scheitelpunkt des Lenkrades ab, beginnen sich ihre Schultern, ihr Oberkörper leicht und kurz zu heben, zu senken, immer wieder.
Es ist ruhig in dieser Gegend, direkt verlassen wirken die in ihren großen Gärten liegenden Villen, fast ein wenig wie die einsam in ihrem Wagen wartende Frau. Nur, Angela Sahlbruckner erwartet niemanden, das ist ihr anzusehen, vielleicht wartet sie auf etwas, vielleicht auf das Vergehen eines sie beugenden Schmerzes.
»Sie weint«, zeigt sich der so fremd gewordene Hans-Peter ratlos und flüstert in sich hinein: »Verdammt, was passiert hier? Was ist die Lieferung?«
Schließlich richtet sich Angela Sahlbruckner auf, parkt aus, langsam rollt ihr Fahrzeug gut einsehbar am Pritschenwagen vorbei, und dem Metzger wird übel mit einem Schlag. Zu sehr wollen sie ihm nicht aus dem Kopf, die Fotos in Dollys Computer, geschossen im Sommer ein Jahr zuvor, Abbildungen des makellosen Körpers Angela Sahlbruckners.
»Sie hat ausgesehen, als hätte sie Abschied nehmen müssen«, hört er sich sagen, und ihm graut allein vor dem Gedanken: »Vielleicht ist die Lieferung das Kind.«
Leer war der Beifahrersitz in Angelas Wagen, keine Babyschale, kein Baby, nur eine weinende Frau.
Es sind entsetzte Blicke, die dem in der Mitte sitzenden Metzger nun von links und rechts zugeworfen werden.
»Heilige Muttergottes«, flüstert Petar Wollnar.
»Das Kind«, wiederholt der Mann, der einst vorgab, Hans-Peter Weibl zu sein, als wäre es die Lösung eines Rätsels.
Und noch ehe im Pritschenwagen ein weiteres Wort fällt, springt er aus dem Wagen und beginnt zu laufen, die Mauer des Maieranwesens entlang, vorbei am Tor.
»Petar, ich danke dir. Wenn ich ihn erwisch, fahr heim, sag Danjela und Irene, wo ich bin, und gib ihnen das Kennzeichen durch. Mir bleibt keine andere Wahl!«, tut es der Metzger seinem Vorgänger gleich und eilt hinterher.
Der Vorteil einer Zentralverriegelung ist dann dahin, wenn nicht ein rasches Von-innen-Zusperren, sondern ein eiliges Von-außen-Aufsperren gefordert ist.
Nur ein Tastendruck und alle Türen sind offen, ein Traum, wenn die ganze Familie, ein Alptraum, wenn nur eine Person einsteigen soll.
So schnell geht die ganze Aktion, da hat der sogenannte Hans-Peter in seinem mit jedem erdenklichen
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