Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Zulassungsschein, sprich eine Dokumentation an Lebensgewohnheiten, Besitztümern und Zugehörigkeiten.
»Ich hatte recht«, hebt er mit Erleichterung den Ausweis wie eine Trophäe in die Höhe und fügt fast mitleidig hinzu: »Aber jetzt ganz ehrlich, wenn ich mir Ihren Namen so anseh: Hans-Peter Weibl klingt um einiges geschmeidiger als Heinzjürgen Schulze. Lassen Sie sich umtaufen.«
»Sie Mistkerl!«, füllt sich der Wagen nun auch von der Fahrerseite aus mit Leben, »Sie verdammter Mistkerl«, und irgendwie kommt der nun wieder dem Lenker zugewandte Metzer nicht umhin, im Gesicht des endlich aus dem Weibl-Kokon geschlüpften Schulze zwar nicht Freude, aber trotzdem so etwas wie Befreiung zu orten. Wer lässt auch schon gern auf Dauer offiziell jemand anderen aus sich machen, Kundschaften der Schönheitschirurgie natürlich ausgeschlossen.
»Sie sind also Polizist«, studiert der Metzger nun weiter den Ausweis, »allerdings nicht von hier, sprich ein Gast- beziehungsweise Schwarzarbeitender.«
Ein wenig lässt er den sichtlich in die Enge getriebenen Heinzjürgen zu Gedanken kommen, dann setzt er fort: »Nachdem Sie offensichtlich allein unterwegs sind, tippe ich auf Schwarzarbeitender. Nur warum? Ein persönlicher Rachefeldzug? Eine geheime Mission? Spielen Sie einsatztechnisch also ein wenig Verstecken mit der hiesigen Polizei? Wegen Dr. Maier? Weiß man ja nicht, wer über wie viel Ecken auch immer mit Maier verbandelt ist, hab ich recht?«
Starr den Blick nach vorn auf sein Ziel gerichtet, manövriert Heinzjürgen Schulze den Wagen durch den dichten Verkehr. Und es sieht auch nicht aus, als hätte er die nächste Zeit noch vor, seine Stimme zu erheben. So geht die Fahrt wortlos dahin. Zum ersten Mal folgt der von Angela gelenkte Wagen nicht dem Schild »Zentrum«, sondern biegt ab. Mehrspurig ist die an den inneren Bezirken vorbeiführende Umfahrung, in diesem Fall hinaus Richtung Osten. Breiter, unbefahrener werden die Straßen, länger die zwischen den Ampeln liegenden Distanzen.
»Sie ziehen das durch, oder?«, hält es der Metzger nicht mehr aus, da deuten wie in jeder Metropole dieses Landes auch die ersten von ein und denselben Textilketten, Baumärkten und Discountern besetzten Blechquader den beginnenden Stadtrand an.
»Sie könnten einmal mit mir die Erde umkreisen, stur wie Sie sind, mich dahocken lassen wie einen Idioten, ohne den Mund aufzumachen, obwohl Ihnen völlig klar ist, dass mir Erklärungen zustehen – seh ich das richtig?«
Ein kleines Stück wandert das Kinn Heinzjürgen Schulzes abwärts, ziehen sich seine Augenbrauen hinunter in Richtung Nasenrücken, und in sein bisher ernstes, regungsloses Gesicht mischt sich Entschlossenheit.
»Ich werd Sie hier nicht hocken lassen, Metzger«, bricht er endlich sein Schweigen. »Und nicht ich, sondern Sie sind stur, völlig immun gegen gutgemeinte Ratschläge. Ich kann Ihnen einfach nichts sagen, außer vielleicht, dass Sie vorsichtig sein müssen, mit wem Sie worüber reden. Oder wissen Sie, wer aus Ihrem Umfeld wie in die Geschichte verwickelt ist? Josef Krainer, Gerhard Kogler oder gar Irene Moritz, die von Ihnen involviert wurde.«
»Sie wissen von Irene Moritz? Stehen Sie mit ihr in Verbindung?«, und jetzt wird er stutzig, der Metzger. Lange allerdings braucht er nicht, um sich seinen Reim darauf zu machen.
»Szepansky«, flüstert er, »Sie wissen von Irene Moritz, weil Sie mit Szepansky in Verbindung gestanden haben, anders kann es nicht sein. Darum sind Sie auch so betroffen, denn Szepansky ist tot!«
Das Grün einer langsam näher kommenden Ampel im Auge, laufen im Hirn des Willibald weiter die Fäden zusammen:
»Ich warne Dolly im Zug vor Szepansky, erzähle ihr, besorgt wie ich bin, sogar von meinem Anruf bei Irene Moritz, Dolly erzählt es, verliebt, wie sie ist, Szepansky, Szepansky erzählt es Ihnen, und Sie verwüsten meine Werkstatt.«
Viermal blinkt es hierzulande, bevor ein längeres Gelb auf das bevorstehende Rot hinweist. Nur wozu dieses Gezucke gut sein soll, wenn es ohnedies ein Gelb gibt, ist dem Metzger ein Rätsel. Soll es auf etwaige träge Gedankengänge einiger einheimischer Verkehrsteilnehmer hinweisen, oder heißt es ganz der Kultur entsprechend: »Leute, nur keine Hektik, steigts einfach ein bisserl aufs Gas, dann geht sich das schon aus«, dient es folglich zur Beglückung des Radars und der Staatskasse? Er weiß es nicht. Er weiß nur, der offenbar umsichtige Heinzjürgen Schulze drosselt gerade
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