Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
ein silberner Passat, zwei Insassen. Ich übergeb ihn, das geht schnell, und kümmer mich drum.«
Dann hält der Wagen an.
Alles, was er noch sieht, ist das gegen ihn gerichtete Elektroschockgerät in der einen und eine Spritze in der anderen Hand. Nur ein kurzer Stich, ein kurzer Schmerz, dann wird es dunkel.
Der Bruch und das goldene Kalb
Von der ersten Kurve an fühlt sich Willibald Adrian Metzger sicher, nicht nur was die Fahrweise, sondern auch was den Fahrer betrifft. Die Annahme, über Menschenkenntnis zu verfügen, ist zwar ein ähnliches Hasardspiel wie der Glaube, allein beim Anblick eines vollen Glases H 2 O das Trinkwasser darin erkennen zu können, trotzdem ist sich der Metzger gefühlstechnisch ziemlich sicher: Sein Nachbar ist genießbar, nicht in böser Absicht unterwegs, verzagt und vor allem, er ist neben Angela Sahlbruckner zurzeit die einzige Hoffnung, Licht ins zugegeben immer bedrohlicher wirkende Dunkel zu bekommen.
»Ermitteln Sie gegen Maier?«, präzisiert der Metzger nun seine Frage: »Hat es was mit dem Mord an Heinrich Albrecht zu tun? Oder mit dem Einbruch im Museum und dem toten Szepansky?« Nur einen verwunderten Blick aus diesen unsagbar müden Augen erhält er als Antwort.
»Und warum sehen Sie so schlecht aus? Was ist passiert?«, setzt er fort. Vergeblich.
Mittlerweile nimmt der von Angela gesteuerte Volvo erkennbare Konturen an. Ohne Eile bewegt er sich durch die langsam in der Dämmerung versinkende Stadt.
Leise surrt in deutlichem Abstand das Verfolgerfahrzeug hinterher. Dumpf dringt mit beinah meditativer Wirkung der Straßenlärm herein, immer befahrener wird die Strecke, immer enger stehen die Häuser beisammen, bis sie schließlich an ihren Seiten aneinanderwachsen. Es geht stadteinwärts.
Seltsam melancholisch, fast friedlich ist die Stimmung im Wageninneren. Und sosehr dem Metzger dieser Zustand an sich auch behagt, drückt es ihn dabei doch gewaltig, sogar im doppelten Sinn. In ihm drückt der Vorsatz, aktiv zu werden, hinter ihm drückt der zu dieser Aktivität treibende Impuls. Schwarz auf schwarz, Leder auf Leder, das kann man in höchster Eile eben leicht übersehen. Und weich ist so eine mit allerlei Utensilien vollgestopfte Jacke natürlich nicht.
Eckig und hart bohren sich diverse Gegenstände, unter anderem garantiert ein Revolver und eine Kamera, in sein Gesäß.
Da braucht er jetzt nicht zweimal zu überlegen, der Metzger, denn im immer dichter werdenden Stadtverkehr einen Vordermann verfolgen und gleichzeitig mit dem Nebenmann ein Handgefecht austragen zu müssen, ohne sich einen gehörigen Blechschaden einzufangen, das gelingt maximal in Hollywood. Abgesehen davon kann es nicht im Sinne eines Verfolgers sein, sich durch zwangsweise unkoordinierte Lenkmanöver selbst zu entlarven.
»Ich bin so frei!«, befreit sich der Metzger also von der höchst unangenehmen Unterlage, wer hockt auch schon gern auf einem Schießeisen, nimmt dieses aus der Jackentasche und steckt es rechts neben sich in das in der Beifahrertür befindliche Fach.
»Viel zu gefährlich.«
»Verdammt!«, zuckt kurz das Lenkrad, und ja, da drückt es dem Fahrer in Bewusstwerdung der aktuell ausweglosen Situation nun ein wenig den Schweiß auf die Stirn.
»Wenn Sie wollen, dass uns die Dame da vorne nicht bemerkt, würde ich mich an Ihrer Stelle auf den Verkehr konzentrieren«, kommt es dem Metzger relativ gelassen über die Lippen, da ist er bereits im Besitz des von ihm erhofften nächsten Leders, abermals im Farbton Schwarz. Sicherheitshalber dreht er wie ein zu Schularbeitszeiten unkooperativer Sitznachbar seinen mächtigen, breiten Oberkörper als Barriere zur Seite und widmet sich ungehemmt dem handflächengroßen, gewichtigen Ziegel, sprich der Geldbörse in seiner Hand. Was sich früher schmal und flexibel problemlos in jede Hosentasche versenken ließ und maximal als sanfte Erhebung abzeichnete, vermittelt heutzutage den Eindruck, als hätte der Träger ein monströses Geschwür am Hintern beziehungsweise einen bereits mit reichlich Darm gefüllten Leisten-, Schenkel- oder Hodensackbruch. Dünner, dafür größer werden nur die Smartphones. Es wird wieder kommen, notgedrungen, das Zeitalter der Bundfaltenhosen.
Ungeschickter Mensch ist er zwar keiner, der Metzger, dennoch rutscht ihm da beim Öffnen des Börsels, vom Freiheitsdrang getrieben, gleich der ganze, aus Plastik gestanzte Stapel entgegen, Bankomat-, Kredit-, für jeden Schmarrn eine Kundenkarte, Führer-,
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