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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Pipapo ausgestatteten silbernen 2012er VW Passat das Summen zwecks auszuführenden Anschnallvorgangs noch im Ohr, ist die zum Gehsteig gelegene Beifahrertür bereits sperrangelweit offen.
    »Sterben müssen wir zwar alle, aber mit voller Absicht blöd sterben lassen brauchen Sie mich nicht«, dröhnt es herein. »Ich will wissen, was hier los ist. Also, für wen ermitteln Sie?«
    Ja, das kann er, wenn es gefordert ist, eben auch, der Metzger, andere Leute in die Enge treiben, ihnen Vorwürfe machen. Und schon hat er auf dem schwarzen Ledersitz Platz genommen.
    »Und jetzt geben Sie Gas, sonst holen wir sie nicht mehr ein«, klingt er unerwartet forsch und sieht seine einzige Hoffnung nach Klarheit schwinden: Angela Sahlbruckner.

Der Atem und das Meer
    Sie kommt nicht mehr.
    Er braucht keine Erklärung, um es zu wissen, es war in ihren Augen zu sehen. Angela ist weg.
    Sie hat ihn belogen und ihm alles genommen, alles.
    »Darya«, flüstert er, blickt beim Autofenster hinaus, und diesmal ist jede Hoffnung wie weggespült, nur die Erinnerung bleibt.
    Die Erinnerung, wie Youma ihm die Frage stellte, bevor sie von einer der beiden Frauen in den schäbigen Wohnwagen, der ihre Behausung war, gebracht wurde:
    »Wie soll sie heißen, Noah? Wie?«
    Er hörte noch ihren tiefen Atemzug.
    »So weit sind wir gekommen«, sagte sie. »Riechst du es? Das Meer.«
    Er spürte die letzte Berührung ihre feuchten Hand auf seiner Wange, als wollte sie ihn trösten, als wüsste sie, was kommt. Behutsam strich sie mit der anderen über ihren Bauch, blickt ihm tief in die Augen, kraftlos war ihre Stimme:
    »Darya, das Meer.«
    Dann verschwand sie im Wohnwagen, gab ihres und schenkte, als wäre es ein Tausch, ein neues Leben. Und sie schenkte es ihm, als wollte sie sich selbst weitergeben, in ihrer ursprünglichsten Form, in all ihrer Hilflosigkeit und zugleich so einzigartigen Nähe. Ungeahnt war das Ausmaß der Zuneigung für dieses, seinen Händen überreichte Kind. Wie ein Kleinod lag es in seinen Armen, und niemals empfand er es als Übel, manchmal vielleicht als zusätzliche Last. Nur was in diesem Leben hätte es für ihn geben können, um diese Bürde nicht mehr tragen zu können, tragen zu wollen? Nichts. Er wurde Vater, ohne der Vater zu sein, tat, was in seiner Macht stand, durfte die Hütte einer selbst zur Mutter gewordenen Frau mitbewohnen, Darya wurde gestillt, er gab im Gegenzug all seinen Einsatz, für die fremde Frau und nun zwei Kinder, lebte wie ein Ehemann, nur ohne Ehe und ohne ganz Mann zu sein. Dr. Aurelia Cavalli übernahm bei Darya wie auch für ihn und alle anderen die medizinische Versorgung, und dann begegnete er Gustav Eichner, hörte sein Versprechen, ihm eine bessere Zukunft bieten zu können, hörte ihn erzählen von Angela, begegnete ihr Wochen später, zeigte ihr Youmas Tochter, sah Angela mit Tränen in den Augen Darya an ihre Brust legen, sah Darya die Brust annehmen und wusste, was zu tun war, kannte seinen neuen Weg. Bis heute.
    »Ich hab nachgesehen«, erklärte ihm Angela noch vor kurzem mit großer Rührung: »Darya bedeutet zwar ›Meer‹, aber es heißt auch noch ›Trägerin des Guten‹, tapfer oder mutig.«
    Angela hat ihn betrogen.
    Kann ein Mensch so abgründig sein, so viel Bosheit, Falschheit in sich tragen. Ja, er kann. Und gerade er sollte es, nach alldem, was er in seiner Heimat erleben musste, wissen. Dort, wo er herkommt, liegen die Abgründe für jedermann sicht- und fühlbar auf der Straße, aber hier, hier verstecken sie sich hinter dem Blendwerk unfassbaren Wohlstandes.
    Unbändig ist sein Schmerz. Sein Wille, der ihn all die Torturen auf sich nehmen und bewältigen hat lassen, zählt nichts mehr ohne die Kraft seiner Beine, seiner Arme. Vielleicht wurde er ja aus voller Absicht am Knie verletzt, vielleicht sollte er nicht mehr davonlaufen können.
    Genau derselbe Mann, der ihm Grund zur Hoffnung geschenkt hat, der ihm wie ein Retter war, sitzt nun vor ihm, am Steuer eines Wagens, und nichts daran gibt Grund, an eine Zukunft zu denken. Nur eine Gewissheit ist da: Ihm wurde aus reinem Kalkül Nähe vorgespielt, ihm wurde bis zur letzten Sekunde der Glaube vermittelt, alles wäre in Ordnung – mit nur einem Ziel: Darya.
    Er spricht ihre Sprache nicht, aber er versteht ein wenig. Zwar nicht viel, aber genug, um zu begreifen.
    »Ja, ich bin gleich dort!«, hört er Gustav Eichner telefonieren.
    »Was heißt, es ist ihr jemand nach. Haben wir tatsächlich wen übersehen? Alles klar,

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