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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Brust, dieses an sich unbeschreibbare, als Liebe bezeichnete Gefühl. Er muss den Dank nicht aussprechen, um zu wissen, dass er auch so ankommt.
    »Links!«, erklärt er zwei Gassen weiter, gefolgt von: »Und der Pritschenwagen?«
    »Fast leerer Tank, außerdem zu langsam, zu groß, zu auffällig.«
    »Und wie bist du …«
    Petar Wollnar zieht zuerst streng die Augenbrauen hoch: »Willst jetzt du Klischee bedienen, nur weil ich Pole bin?«, und setzt eine schelmische Miene auf: »Der Idiot hat den Schlüssel stecken lassen.«
    »Du Held, da vorne ist er schon!«
    Petar Wollnar lächelt. Nicht nur, weil er weiß, wie richtig seine eigenmächtige Entscheidung war, nicht nur, weil es ihm, der sonst so still und friedliebend ist, auch einmal verdammt guttut, gegenüber einem der reichlich auf diesem Erdkreis wandelnden Fetzenschädel Genugtuung zu empfinden, sondern weil er sich gerade einen kleinen Lebenstraum erfüllt: mit einem Cabrio ohne Rücksicht auf Radaranlagen durch die Landschaft preschen zu dürfen.
    Und es wird eine längere Fahrt.
    So hat der Metzger also ausreichend Zeit, um sich ob seines Leichtsinns telefonisch von Danjela Djurkovic, deren Nerven blankliegen, die Leviten lesen zu lassen und schließlich ohne große Überraschung zu erfahren, Hans-Peter Weibl, sprich Heinzjürgen Schulze, könnte auch das an Dolly gerichtete Szepansky-Schreiben verfasst haben.
    Mit viel Geduld gelingen ihm die Besänftigung seiner Holden und das liebevolle Beenden des Gesprächs.
    Dann wird es ruhig.
    Scheinbar endlos geht es dahin. Einzig die Frage, ob die Benzinvorräte Grund zur Sorge gäben, wird mit beruhigendem Ergebnis erörtert. Das Tempo des von Angela gelenkten Wagens ist nie zu hoch, immer wieder schießen im dichten Verkehrsaufkommen sich in Kolonnen drängelnde Fahrzeuge fern der Geschwindigkeitsbeschränkung vorbei. Stadtverkehr, Autobahn, dann Bundesstraße, Petar Wollnar kann sich ausleben, und er macht es gut, lässt den Abstand zum Vordermann zwecks Unauffälligkeit groß genug, lässt ausreichend viel fremde Fahrzeuge sich dazwischen einordnen und vor allem, er lässt sich trotz des für seine Verhältnisse hohen Tempos weder abschütteln noch aus der Ruhe bringen. So sieht der Hausmeister zumeist vorne auf die Straße und der Metzger links in die Landschaft hinaus.
    Nur nach links geschaut wird eine Spur zu selten.
    Wenn er es nicht besser wüsste, der Metzger, es käme ihm zeitweise vor, als wäre er erneut im Land der Salami gelandet, allerdings nicht flüssig begleitet von Chianti, sondern Tokajer. Linker Hand erstreckt sich funkelnd im Abendlicht ein wie das Meer so weitläufiger See, umgeben von einem dermaßen hohen und breiten Schilfgürtel, wer hier was oder wen auch immer loswerden will, braucht einem alten Ruderboot nur einen festen Schubser zu geben. Rechter Hand ziehen sich Weinberge, um die dieses Land die ganze Welt beneidet, sanft die Hügel hinauf, und dem Metzger wird einmal mehr bewusst, mit welch unfassbarer in unmittelbarer Umgebung gelegener Vielfalt er beschenkt ist.
    »Zu Haus is es am schönsten!«, hat seine Mutter, Gott hab sie selig, immer gesagt. Und auch wenn ihr Blick ein Leben lang kaum über den Tellerrand der Stadtgrenze hinweggesehen hat, hinein ins Land, weiß der Metzger ganz ohne patriotisches Gehabe und falsche Besitztumsansprüche, sie hat trotzdem recht.
    Er könnte den Ausflug also direkt genießen, wäre der Anlass kein so besorgniserregender. So aber geistert ihm die ganze Zeit das vor der Praxis des Dr. Lorenz und der Maiervilla abgehaltene Schauspiel durch den Kopf.
    Alles schien einem Plan zu folgen. Wusste Maier um sein Beobachtet-Werden? War alles nur Inszenierung, Ablenkung?
    Langsam bricht die Dämmerung über den Tag herein, der satte Mond beansprucht den Himmel für sich, nur ein paar vereinzelte Sterne verraten sich durch ein zurückhaltendes Aufblitzen. Erleuchtungen, Geistesblitze kommen, auch wenn sie verbal den Anschein eines wie aus dem Nichts ins Hirn geschossenen Wunders erwecken wollen, schleichend und nur dann, wenn der Boden aufbereitet wurde durch eifriges Nachdenken, Studieren, möglicherweise Durchschreiten vorangegangener Entwicklungshöllen.
    Und so sitzt er nun neben seinem einzig wahren Freund Petar Wollnar, der Metzger, grübelt vor sich hin und spürt zusehends ein immer größer werdendes Grauen vor den eigenen Gedanken, die einen entsetzlichen Brückenschlag von Noah und der kleinen Darya über den toten Pepe und den toten

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