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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Angerufenen augenblicklich zu einem weiteren Anruf motiviert, der dann eine ausgebeulte Hosentasche im Inneren der Alten Mühle erklingen und vibrieren lässt, wenn das der Willibald alles wüsste, er wäre nicht einmal trotz einer Pospischill-Begleitung auf die Idee gekommen, dieses Lokal zu betreten.

19
    Es dauert nicht lange, und der Pospischill bringt seinen Wagen direkt vor dem nervös zuckenden Willibald Adrian zum Stillstand.
    „Also, was machst du da, Metzger?“
    „Na auf dich warten. Warst du schon da, seit ich dich gestern angerufen hab?“
    „Nein, ich war schon auf dem Weg und hab dann doch noch auf die Dienststelle müssen. Bei uns ist die Hölle los wegen dem Owuso-Fall. Das dauert so ungewöhnlich lange mit dem Ergebnis aus der Gerichtsmedizin, dann traktiert uns ständig das Büro vom Vereinspräsidenten König, weil die Stimmung so schlecht ist im Team, solange keiner genau weiß, was da los ist, und schließlich kommt aus der obersten Polizeiebene der Befehl, diese Geschichte vorrangig zu behandeln.
    Morgen, am fünften Tag nach dem Owuso-Umfaller, soll endlich der Bericht des Pathologen eintrudeln. Mir kommt vor, die Owuso-Leich haben s’ dort verlegt, anders gibt’s das nicht!“
    Nach einem Blick ins Leere und einem langen Seufzer setzt der Pospischill fort:
    „Also, in Gottes Namen, schaun wir rein da, Willibald. Der Ruf, der diesem Lokal und den Kicker Ultras vorauseilt, ist ja nicht gerade einladend. Beim letzten Spiel der Nationalmannschaft hat diese Ultras-Truppe schonungslos einen ehemaligen Kicker-Saurias-Spieler, der halt zu einer anderen Mannschaft ins Ausland gewechselt hatte, beschimpft, bespuckt und beworfen, alles live im Fernsehen übertragen – und nichts ist passiert in diesem Land, außer dass sich ein paar aufgeblasene Funktionäre gegenseitig beim Reden zugehört haben. Obwohl die Gesichter der Randalierer deutlich auf dem Bildschirm zu sehen waren, deutlicher geht’s gar nicht. Wenn es nach mir ginge, bekämen die alle lebenslanges Platzverbot, inklusive einer Strafe, die sich gewaschen hat. Aber wir, wir Kleinen, wir haben ja nix zum Reden, uns fehlen die bedruckten Argumente in den unter der Tischplatte überreichten Kuverts.“
    Der Pospischill wird ausnahmsweise heute noch seine Argumente bekommen, natürlich wertlose, im materiellen Sinn.
    Ein Lokal, das wie eine in sich geschlossene Welt anmutet, betreten also nun zwei Außerirdische: Ein mit zernudeltem Anzug bekleideter, eher kleinwüchsiger, schmächtiger Kommissar mit spärlichem, auf einen Pseudokurzhaarschnitt reduzierten Haarwuchs, der trotz ähnlicher Haarlänge keinerlei Gemeinsamkeiten mit den übrigen vorhandenen Stoppelglatzen aufweist, und ein schwammiger, in Jackett, Bundfaltenschnürlsamthose und Schweinslederschuhe gepferchter, im Gesicht zuckender Restaurator mit immer noch blasenbedingt leicht humpelndem Schritt.
    In Gegenwart der anwesenden Stammgäste erzielen diese beiden Gestalten dieselbe Respekt einflößende Wirkung wie zwei Heuschrecken vor einem Mähdrescher. Mit dem Unterschied, dass ein Mähdrescher Heuschrecken gar nicht registriert. Denn obwohl zwei Menschen nicht unscheinbarer sein könnten, löst ihr Eintreten eine derartige Stille aus, als hätte ein Meteorit in dieser verborgenen Welt eingeschlagen.
    Unscheinbarkeit ist ja immer eine Frage der Umgebung.
    Die nackte Julia auf den Theaterbrettern, inmitten sich zankender, ebenfalls nackter Capulet- und Montague-Familienmitglieder, wird weit weniger auffallen als eine nackte Julia im Speisewagenabteil des Eurocity von Wien nach Berlin.
    Nicht dass diese schlagartige Stille von kurzer Dauer wäre, jeder Schritt der beiden auf den knarrenden Holzbrettern wird schweigend verfolgt. Jetzt ist der Metzger ja ein fernsehloses Wesen, trotzdem taucht in seinem Hirn sofort das Bild eines Saloons und zweier durch die Schwingtür eintretender, gesuchter und gefährlicher Banditen auf. Da könnte er sich aber gewaltig freuen, der Willibald, wenn es den Stammgästen genauso erginge. In deren Köpfen fehlt nämlich von „gefährlich“ weit und breit jede Spur. Banditen passt schon eher, denn die Ultras wollen es ganz und gar nicht, wenn ihnen jemand ihre schwer erkämpfte Ruhe rauben will. Und dass da ein unbekannter Spion im Anmarsch ist, das wissen sie, seit in der ausgebeulten Hosentasche vom Kurti Blaha das Handy so stark vibriert hat, dass der Kurti Blaha fast eine Erektion bekommen hätte.
    Die bekommt er jetzt, denn immer, wenn dem

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