Der Metzger sieht rot
telefonischen Ankündigung eigentlich mit nur einer Person gerechnet hat, laut Beschreibung einem eher fettleibigen Schnüffler. Dass ihm da jetzt unerwartet ein Kommissar in die Quere kommt und offenbar ganz anders funktioniert wie all die anderen Gesetzeshüter, die hier ein und aus gehen, könnte ungünstiger nicht sein.
Wenigstens auch für den Kommissar selbst, denn sitzen wird er mit Sicherheit nicht, der Kurti Blaha.
Nachdem nämlich die drei die Alte Mühle verlassen hatten, war da drinnen die Hölle los. Denn auch wenn ein gegenseitiges Magenstamperl, Nasenreiberl oder ein kleiner Arschtritt in der abgegrenzten Welt der Ultras zur gewöhnlichen Gesprächskultur zählen und mit keiner großen Aufregung oder gar Revierverweisung einhergeht, so ist diese unfreiwillige Zuweisung, also Entführung, eines Stammesbruders aus dem vertrauten Baseballschläger-Revier ins meist auch durchaus vertraute Gummiknüppel-Revier der Auslöser eines heftigen Getummels. Da war noch gar nicht die Tür ganz zugefallen, hat sich sofort der Lokalbesitzer Georg Schneider, natürlich alles andere als ein liberaler weltoffener Geselle, mit einem jener schweren Jungs in Verbindung gesetzt, von denen er in Gegenwart des doch überraschenderweise durchaus Respekt einflößenden Kommissars behauptet hat, sie hätten Lokalverbot. Immerhin musste diesem ja verdeutlicht werden, dass die kroatische Schlampe erstens wirklich eine bleibende Lektion abbekommen hat und dass unerwarteterweise die Polizei da war, obwohl die sonst nicht so schnell bis nie auftaucht, wenn es um Ausländergeschichten geht.
Das war aber nicht der einzige Anruf. Der Vorteil eines Mobiltelefons ist ja eindeutig die ständige Erreichbarkeit, und es gibt bekanntlich Nummern, da hebt man immer ab, egal zu welcher Uhrzeit. Und weil der Schneider in Wahrheit ja nicht nur ein Lokalbesitzer, sondern auch der Puppenspieler des Ultras-Marionettentheaters ist, hat es nur einmal läuten müssen. Und weil jeder Marionettenspieler selbst Marionette ist, wobei der Schneider und die Ultras gar nicht ahnen, wie sehr bei ihnen die Fäden gezogen werden, hat dann der Georg Schneider im Anschluss an seine Schilderung aufmerksam die notwendige Anweisung entgegengenommen:
Er soll den Kreuzberger informieren, damit der seinen besten Kumpel Kurti Blaha demnächst vor dem Revier abholt, weil dem sein Verhör wird nicht lange dauern.
20
Bald kann das Theater beginnen.
Diesmal durfte sie ja ein wenig länger die Freuden ihrer Macht genießen, und demnächst, wenn alles erledigt ist, kann sie sich genüsslich zurücklehnen und zusehen, wie der eine Vorhang fällt, damit der andere aufgeht. Obwohl, was das Erledigen betrifft, ist sie ihm diesmal ja wirklich schon sehr entgegengekommen, hat sich auf Dienste weit unter ihrer Würde eingelassen, aber was tut man nicht alles, wenn die Ernteaussichten stimmen. Alles läuft wie geschmiert. Beinah! Bis auf den seltsamen Mann, der sich da plötzlich im Dunkeln, die Wand entlangtastend zum Ausgang des Stadions geschlichen hat.
Das ist aber nicht mehr ihr Problem.
Sofort hat sie ihn angerufen. Er hat da schon seine Männer draußen, für das Grobe ist sie nicht zuständig, und irgendwie wäre, was seinen Plan betrifft, diese zusätzliche Aufmerksamkeit in die Ultras-Richtung gar nicht so ungünstig.
Alles ist fertig präpariert, er hat erzählt, dass sich dank seiner Kontakte selbst die Gerichtsmedizin, was den Zeitpunkt der Befundweitergabe an die Polizei betrifft, als steuerbar erwiesen hat. Jetzt muss sie nur schleunigst die Angelegenheit mit der Frau zu Ende bringen. Wenn er durch ihre Mithilfe sein Ziel erreicht, so sein Versprechen, bekommt sie einen weiteren der Podinskys.
Bilder waren immer ihre große Leidenschaft. Je abstrakter, desto besser. Eher würde sie sich einen Strich eingerahmt an die Wand hängen als das Profil einer sitzenden Dame oder das pastellfarbene Stillleben einer Obstschale. Der Strich ist authentisch, ist nur der Strich und zugleich wahrhaftig, die Obstschale ist immer nur die Abbildung einer Obstschale, die mechanische Zurschaustellung geübten Könnens, so als würde ein Gorilla Purzelbäume schlagen. Die Wirklichkeit ist nicht darstellbar, weder im realen Leben noch auf einer Leinwand, sie ist das Modell einer Welt, das andere uns sehen lassen wollen.
Ein Strich allerdings ist für sie der Stachel der Phantasie, sie sieht immer etwas anderes in ihm, und manchmal nur den Strich, er zwingt sich nicht auf. Affen,
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