Der Metzger sieht rot
Restauratorenhänden landen und der Metzger könne sowieso bald zusperren,
dass es dieses typische zwanghafte Männerbedürfnis wäre, durch Kurzhalten der Information gegenüber dem weiblichen Geschlecht eine niemals zugewiesene Vorherrscherrolle künstlich aufrechtzuerhalten,
dass Männer ohnedies zu nichts anderem gut wären, als überlebt und beerbt zu werden,
dass ….
So richtig in Fahrt, wird sie plötzlich unerwartet unterbrochen, nicht vom Metzger, der hat geistig längst diesen Planeten verlassen, auch nicht vom knurrenden Edgar, sondern aus dem Hinterhalt.
„Nonono, was haben wir denn da? Ein Zwitterwesen aus Jeanne d’Arc und Elisabeth der Ersten, nur höchst wahrscheinlich nicht jungfräulich!“
Ingeborg Joachim dreht sich ruckartig und in perfekter Haltung auf ihren Stöckeln um, als wären diese Spitzenschuhe, was sie die Qualität betreffend ja durchaus auch sind, und blickt auf einen lautstark kauenden Otto Weinstadler hinab, der seine Wartezeit zwecks Metzger-Danksagungsbesuches kulinarisch beim gegenüber der Werkstatt gelegenen Würstelstand verbracht hat. Spieler und Wirtshausgeher verfügen oft über eine Allgemeinbildung, so ein ausgewählter Stammtisch könnte da glatt einem Gymnasium ordentlich Konkurrenz bereiten, wären nicht der Alkohol und die Spielsucht.
„Was erlauben Sie sich!“, und noch bevor sie zur Retourkutsche ansetzen kann, hört sie:
„Lassen S’ mir den Herrn Metzger in Ruh, das ist ein Ehrenmann. Wenn Sie wen zum Abreagieren brauchen, bitte!“, an dieser Stelle deutet er mit einer einladenden Geste auf sich selbst, „bedienen Sie sich! Nur zu.“
Den Metzger durchflutet ein Schwall an Erleichterung, weniger aber durch die willkommene Unterstützung, sondern eher durch dieses lebensfrohe Blitzen in den Augen des Otto Weinstadler, der ihm freudig mitteilt: „Das läuft hervorragend mit dem Dörflinger, war schon zweimal bei ihm, so ein netter Mensch! Und stellen Sie sich vor, er verlangt vorerst nichts, weil er hätte da bei Ihnen noch was gut zu machen!“
Na, da kann er aber auf Lebenszeit gratis für mich arbeiten, denkt sich der Metzger in Erinnerung an die nicht erinnerungswürdige Schulzeit.
Der Weinstadler strahlt also, wobei das Blitzen in seinen Augen viel weniger mit der Psychotherapie als mit der Joachim zu tun hat.
Einen Blick wirft er ihr zu, als hätte er im Lotto gewonnen.
Ingeborg Joachim ist fassungslos und hat immer noch kein weiteres Wort gesprochen. Da spricht sie ein Niemand an, selbstsicher, gebildet, ohne Respekt, ohne Manieren, ohne ein Anzeichen von Scheu, ohne einen Funken an Geschmack, was irgendwie wiederum von Selbstbewusstsein zeugt, und ihr fehlen die zum perfekten Konter geeigneten Vokabeln. So was ist ihr wahrlich noch nicht oft passiert. Otto Weinstadler befindet sich auf dem besten Weg, in den Joachim-Augen die scheinbar unmögliche Metamorphose vom Niemand zum Jemand zu vollziehen, armselig wie er dasteht, in seinem heruntergekommenen Anzug, seinem chaotischen Zustand der Haare und mit diesen strahlenden Augen.
„Wie machen wir jetzt weiter, soll ich Ihnen nun den Tabernakelschrank zusammenbauen, unrestauriert? Abholen müssten Sie ihn dann aber selber?“, greift der Metzger ins Geschehen ein, aus Angst, es könnte sich ein weltuntergangsähnliches Joachim-Gewitter über Otto Weinstadler zusammenbrauen.
„Zum ausgemachten Termin liefern Sie ihn, aber keinen Tag später!“, meint Ingeborg Joachim beiläufig, dem Restaurator immer noch ihren Rücken zugewandt, und richtet dann wieder ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Weinstadler:
„Und Sie, Sie … !“
„Otto Weinstadler, gestatten!“, fällt ihr der ins Wort und gibt dieses auch nicht mehr ab:
„Ich könnte mir ja vorstellen, so wie Sie sich aufregen, dass unter dem Nerzrudel, das sie da Gassi führen, mittlerweile eine ganz schöne Hitze zusammengekommen ist. Ich würde vorschlagen, wir trinken was gemeinsam, zwecks Abkühlung!“
Es folgt eine wahrlich überraschende Antwort, wahrscheinlich auch für Ingeborg Joachim selbst, die unwillkürlich nun doch geeignete Vokabeln findet. Ganz andere als vorgesehen allerdings. Gelegentlich ist es ja doch ein Segen, wenn das Bewusste durch ein erfolgreiches Überholmanöver des Unbewussten ausgetrickst wird.
„Na, ich weiß nicht, ob Sie sich all die eiskalten Bierchen auch wirklich leisten können, die Sie gleich brauchen – so werd ich Ihnen einheizen!“
Für gewöhnlich ist der Nerz ja ein strenger
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