Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
Vom Netzwerk:
Eindruck erzeugt, er müsse sich kurz wo festhalten.
    Im Wagen eingestiegen dreht er nach dem Starten sofort nervös das Radio ab. Irene Moritz blickt nüchtern nach vor und meint: „Und, Kogler, wie wollen S’ jetzt den Polizeifunk hören!“
    „Stimmt!“, gibt Gerhard Kogler von sich und müsste sich somit mit dieser Zustimmung wieder unter normalen Umständen von jeglichem Führungsanspruch verabschieden.
    Dann nimmt er kontrolliert die Fahrt auf und folgt diensteifrig den angegebenen Geschwindigkeitsbeschränkungen, was soviel bedeutet wie: 30 Stundenkilometer und in Gegenwart des Dienstwagens brav Abstand haltende Fahrzeuge mit heuchlerisch angepasster Fahrweise.
    Gesprochen wird nichts, erstens läuft ja das Radio oder eigentlich der Polizeifunk, und zweitens ist sich die abgebrühte Irene Moritz noch nicht wirklich sicher, ob sie Angst haben muss oder nicht, so fahrschülermäßig wie der Kogler da den Wagen lenkt.
    Der Kogler unternimmt alles, um seine Mission „Autofahren neben der Moritz“ halbwegs souverän zu meistern, und fühlt sich wie während seiner Fahrprüfung, womit er der Wahrheit ziemlich nahe kommt. Dann bekommen beide, was sie am wenigsten wünschen, der Kogler sein Waterloo hinterm Lenkrad und die Moritz ihre Angst, obwohl oder weil der Kogler die Fahrweise ändert, ausgelöst durch den Funkspruch: Man hätte endlich den Kreuzberger-Wagen gefunden, und das müsse man sich ansehen.
    „Na, dann geben wir einmal Gas!“, kommentiert Irene Moritz die Meldung. Ein Labsal für die männliche Rennfahrerseele, ein Horror für Gerhard Kogler.
    „Verdammter Mist!“, wimmert er. Dann ist er nicht mehr zu halten. Oder auszuhalten: Trotz Gasgebens gelingt es ihm regelmäßig, gerade noch das Orange zu verpassen und mit einer Vollbremsung dem Stoßdämpfer vor dem folgenden kaiserlichen Rot einen schmerzhaften Hofknicks abzuringen. Irene Moritz kann gar nicht anders, als sich am Armaturenbrett festzukrallen, um eine mögliche Gehirnerschütterung zu vermeiden, und aus dieser vorgeneigten Position die Flut an Schweißperlen zu beobachten, die sich dem Kogler in den Oberlippenbart hineinarbeitet, als wäre dieser zarte Flaum ein Schwamm.
    Sie kann gar nicht anders, als beim Wegfahren von einer eben auf Grün umgesprungenen Ampel an ihren letzten Urlaub zu denken, oder eigentlich nur an das Abheben Richtung Sahara. Und sie kann gar nicht anders, als mit Erstaunen festzustellen, dass sich beim Kurvenfahren so ein Schalthebel für den Lenker durchaus auch zum Festhalten eignet, wäre da nicht das Getriebe, das nach jedem unbeabsichtigten Schaltmanöver ohne Betätigung der Kupplung aufschreit wie eines der Kamele während ihrer Wüstenreise.
    Jeder Kollege hätte dem Kogler längst die Leviten gelesen und ihn an der nächstbesten Ampel auf die Rückbank verbannt. Irene Moritz allerdings schweigt, längst nicht nur mehr aus Angst. Keine Bemerkung kommt ihr über die Lippen, nicht einmal ein lang gezogener Seufzer, ein Teufelsweib wie sie ist.
    Vor Ort springt der Kogler aus dem Auto, läuft aufrecht zum Kreuzberger-Wagen, beugt sich zum Fenster hinunter und erträgt den ersten Blick ins Wageninnere wie ein Mann.
    Nach dem zweiten Blick und vor dem neuerlichen Aufrichten kommt ihm dann allerdings eine kurzfristige Ohnmacht dazwischen, die weit weniger tragisch wäre, würde er sich nicht gemächlich auf dem Boden, direkt auf den einzigen beiden, bisher noch unentdeckten, weiblichen Schuhabdrücken ausbreiten.
    Vom Auto weggeschliffen, erweisen sich dann sowohl Gerhard Kogler als auch die Abdrücke zu jeder weiteren ermittlungstechnischen Verwendung als ungeeignet.
    Während er abseits wieder seinen Kreislauf in Schwung bringt, inspiziert Irene Moritz ausführlich den Tatort. Stefan Kreuzberger musste wohl ein Rechtsschütze gewesen sein. Auf seinem rechten Oberschenkel liegt ihm ein Revolver in der rechten Hand, dem auch wahrscheinlich der glatte Durchschuss von der rechten zur linken Schläfe zu verdanken ist, samt der riesigen Sauerei im Wageninneren. Den Beifahrersitz besetzt ein handgeschriebener Zettel, den Irene Moritz behutsam mit ihren Gummihandschuhen zwecks Lesbarkeit in die Luft hält und diesem entnimmt:
    Dass er, Stefan Kreuzberger, seine Lebenslust verloren hätte, endgültig von der Welt enttäuscht sei, samt all den falschen Hunden, und garantiert nicht zu den Typen zähle, die sich wegen irgendwas verstecken müssten. Und dass er sich niemals stellen würde als gesuchter Mörder. Eher

Weitere Kostenlose Bücher